Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
der keramischen Scherben, dazwischen glasigen, harten Kunststoff. »Was soll das heißen — Hobby?«
    »So was wie die Dinger, die du baust, Slick. Deine Spielzeuge aus Müll...« Gentry setzte sein verkrampftes, irres Grinsen auf.
    »Du hast keine Ahnung, Gentry«, sagte Slick. »Widmest dein ganzes abgefucktes Leben der
    Suche nach der Gestalt des Cyberspace, Mann, der vermutlich gar keine Gestalt hat. Und
    überhaupt, wen juckt das schon?« Der : Richter und die andern waren keineswegs ein
    Zufallsprodukt. Das Vorgehen war zufallsbedingt, aber das Resultat hatte einer inneren Vorgabe zu entsprechen, die er nicht direkt fassen konnte.
    »Weiter«, sagte Gentry.
    Slick blieb, wo er war, sah auf in Gentrys bleiche Augen, die bei diesem Licht grau waren, in sein angespanntes Gesicht. Warum ließ er sich überhaupt auf Gentry ein?
    Weil man jemand brauchte im einsamen Solitude. Nicht nur für den Strom; dieses ganze
    Hausherr-Theater war echt nur Quatsch. Weil man wohl jemand um sich brauchte. Mit Bird
    konnte man sich nicht unterhalten, denn den interessierte nichts groß und der sülzte nur dumm herum. Und auch wenn Gentry das nicht zugab, Slick gestand ihm einen gewissen Durchblick zu.
    |»Ja«, sagte Slick und stand auf, »gehn wir!«
    Der Tunnel war verschlungen wie ein Gedärm und führte im Kreis. Wieder war der Abschnitt
    mit dem Mosaikboden da nach etlichen Kurven und kurzen Wendeltreppen hinauf und hinunter.
    Slick versuchte ständig, sich ein Bauwerk mit einem solchen Innenleben vorzustellen, aber ohne Erfolg. Gentry ging flott, hatte die Augen zusammengekniffen, kaute auf der Lippe. Slick fand, die Luft wurde immer schlechter.
    Wieder eine Treppe hoch. Dann ein kerzengerades Stück, das in der Ferne zu einem Punkt
    zusammenlief in beiden Richtungen. Es war breiter als die kurvigen Abschnitte, und der Boden war weich, mit kleinen Teppichen gepolstert, Hunderten davon in Schichten auf dem Beton.
    Jeder Teppich hatte andere Muster und Farben, vorwiegend Rot-und Blautöne, aber alle Muster bestanden aus gezackten Diamanten und Dreiecken. Der staubige Mief war schlimmer hier, und das führte Slick auf die Teppiche zurück, die total alt aussahen. Die obersten waren abgetreten, stellenweise bis zum Gewebe. Eine Trittspur, als wäre hier jemand jahrelang auf und ab gegangen. Das Lichtband oben war teilweise dunkel, teilweise glimmte es nur.
    »Wohin?« fragte Gentry.
    Gentry sah in die eine Richtung, knetete die wulstige Unterlippe zwischen Daumen und
    Zeigefinger. »Dorthin.«
    »Wieso?«
    »Weil's egal ist.«
    Slick bekam müde Beine von den Teppichen. Er mußte aufpassen, sich nicht in den
    durchgescheuerten Löchern zu verheddern. Einmal stieg er über eine Glasplatte, die aus dem Lichtband gefallen war. In regelmäßigen Abständen passierten sie Wandstellen, die aussahen, als wären einstige Durchgänge zubetoniert worden. Dabei war da nichts, nur die gekrümmte Wand in etwas hellerem Beton mit einer etwas anderen Oberflächenstruktur.
    »Gentry, wir müssen hier unter der Erde sein, stimmt's? Keller oder so ...«
    Aber Gentry riß nur den Arm hoch, so daß Slick dage-genrannte, und dann standen sie da und starrten auf das Mädchen am Ende des Korridors, keine zehn Schritt vor ihnen auf den wogenden Teppichen.
    Sie sagte etwas in einer Sprache, die Slick für Französisch hielt. Ihre Stimme war heiter, melodiös, der Tonfall sachlich. Sie lächelte. Blasses, feines Gesicht unterm dunklen Haarschopf mit hohen Wangen, ausgeprägtem Kinn, großer Nase, breitem Mund.
    Slick spürte, wie Gentrys Arm an seiner Brust zitterte. »Okay«, sagte er und drückte Gentrys Arm hinunter. »Wir suchen nur Bobby...«
    »Alles sucht Bobby«, sagte sie auf englisch mit einem Akzent, der ihm fremd war. »Ich suche ihn auch. Seinen Körper. Habt ihr seinen Körper gesehn?« Sie trat einen Schritt zurück, als wollte sie vor ihnen weglaufen.
    »Wir tun dir nichts«, sagte Slick, der plötzlich merkte, wie er stank mit der vielen Schmiere in Jeans und brauner Jacke. Und Gentry machte eigentlich auch keinen so viel besseren Eindruck.
    »Das glaube ich schon«, sagte sie, und ihre weißen Zähne blitzten wieder auf im fahlen
    Unterwasserlicht. »Aber ich glaube nicht, daß ihr mir sympathisch seid.«
    Slick wollte, daß Gentry was sagte, aber der brachte das Maul nicht auf. »Du kennst ihn —
    Bobby?« fragte Slick.
    »Ein blitzgescheiter Kerl. Superintelligent. Obwohl ich ihn eigentlich auch nicht mag.« Sie trug ein loses

Weitere Kostenlose Bücher