Mond der Unsterblichkeit
blieb sie st e hen, und starrte für einen Moment zu ihr hinüber. Panik lag in Sallys weit aufgerissenen Augen. We l len der Angst schwappten zu Amber. Angstgefühle besaßen die stärksten pulsi e renden Wellen von allen, die sich wie elektrische L a dungen in ihrem Körper entluden, und feinen Nadelstichen in ihrem Nacken glichen.
Als sich eine Handvoll Studenten Sally näherte, stob sie wie von Furien gehetzt davon. Mit ihrer Flucht verflog auch die Aura der Angst, die Amber gespürt hatte. Die pulsierenden Wellen verebbten, und hinte r ließen Kälte auf ihrer Haut. Sie atmete e r leichtert aus.
Es schien, als hätte Sally sie gesucht, um ihr etwas mitzuteilen. Sie b e schloss, sie nach der letzten Vorlesung aufzusuchen.
Selbst Stunden später beschäftigten sich Ambers Gedanken mit Sa l ly.
„Haste nich gehört? Die Probe fürs Schauspiel beginnt gleich. Kom m ste nun mit oder nich?“ Beth zog sie ungeduldig am Ärmel.
Amber schob ihre Bücher ins Schließfach. „Ja, geh schon mal vor.“
Amber wusste, Aidan Macfarlane leitete den Kurs, was ihren Puls in Rekor d höhe emporschnellen ließ. Sie war b e müht, jegliches Interesse für ihn vor den anderen zu verbergen, und bet e te inständig, es möge ihr gelingen. Dazu brauchte sie einen Moment für sich allein. Sie atmete tief durch, bevor sie den Theatersaal betrat, an dessen Ende sich die Bühne b e fand. Sofort fiel ihr Blick auf Aidans Schopf, der in der ersten Reihe saß, und das aufgeschlagene Drehbuch in Hä n den hielt.
Zu ihrem Verdruss waren alle Plätze in den hinteren Reihen belegt, sodass sie gezwungen war, sich nach vorn zu setzen. Beth saß hinter Aidan und versuchte, durch Kokettieren seine Aufmerksamkeit zu e r ringen.
Einmal wandte er sich um, und als ihre Blicke sich trafen, glaubte A m ber, es in seinen Augen freudig aufleuchten zu sehen. Doch schon war der Moment ve r flogen, und sie versuchte, sich auf das G e schehen auf der Bühne zu kon zentrieren.
Sie kannte das Theaterstück aus London, als sie bei dem Laientheater mitg e spielt hatte. Viele Szenen beherrschte sie noch auswendig, wie sie feststellte, denn die Hauptrolle der Paula war einmal ihr Part gewesen.
Thomas, den Aidan neulich beim Fechten korrigiert hatte, spielte in dem m o dernen Liebesdrama die männliche Hauptrolle. Die weibliche Hauptdarstellerin war eine spargeldünne Brünette namens Cleo. Sie wirkte mit ihrem schüchternen Auftreten in der Rolle der selbs t bewussten Reporterin deplaziert. Ihr Lispeln trug zur allgemeinen E r heiterung bei. Amber fand die Sticheleien Cleo gegenüber unfair, da diese mit B e geisterung ihre Rolle spielte.
„Cleo, haste deine Zahnspange nicht rausgenommen oder warum lispelste so?“, rief einer der Studenten, und alles grölte.
Cleo stand auf der Bühne mit Tränen in den Augen. Sie machte den Eindruck, als sei sie kurz davor, ihr Drehbuch auf den Boden zu werfen.
„Ihr müsst es erst mal besser machen“, tadelte Aidan die kichernden und t u schelnden Zuhörer, eine Zornesfalte auf der Stirn. Deutlich spürte sie seine En t täuschung, die von ihm in unsichtbaren, wahrneh m baren Wellen ausging. Auch in seiner tiefen, melod i schen Stimme schwang eine Dissonanz. Er steckte die Daumen in die Schlaufen seiner Jeans und kniff die Lippen z u sammen.
„Möchtest du vielleicht die Paula spielen, Michael?“ Aidan war au f gestanden und sah zu dem Blonden hinüber, der eben noch gelästert hatte, und mit hochr o tem Gesicht abwinkte. „Oder jemand anderes?“ Alle verstummten. „Ich schlage vor, bei den nächsten Proben im Frü h jahr übernimmt Michael eine Hauptrolle“, verkündete Aidan lächelnd, woraufhin alle klatschten. „Können wir weiterm a chen, Cleo?“, fragte Aidan sanft, und l ä chelte sie aufmunternd an.
Doch Cleo brach in Tränen aus. Aidan erhob sich und stieg zu ihr auf die Bühne. Er legte ihr den Arm um die Schultern und reichte ihr ein Taschentuch aus seiner Hosentasche.
„Das wird schon, Cleo. Ich bin sicher, du schaffst das.“
Er zauberte tatsächlich ein Lächeln auf Cleos Lippen. Amber nahm seine Ei n fühlsamkeit bewundernd zur Kenntnis und stellte fest, dass sie ihn immer mehr mochte.
„Können wir weitermachen?“, fragte er die schniefende Cleo, und er n tete ein Nicken.
„So, Leute, weiter geht’s! Thomas, man muss dir den Liebhaber abkaufen. Mehr Leidenschaft, schmachte sie an. Und halte Cleo vor allem nicht wie einen Bese n stiel im Arm.“ Wieder folgte Gelächter.
Aidan zog
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