Mond der Unsterblichkeit
Gealach, die das Schloss betrafen, hatte er einen g e funden. Die konnten nicht aus den Highlands stammen. Kein Hig h lander aus der Umgebung würde auch nur eine Nacht unter dem Dach der Macfarlanes verbringen. Hier waren die Menschen abe r gläubisch. Die meisten hielten Vater, der nach den Bräuchen alter Druiden lebte, für verrückt, und mieden jeglichen Ko n takt.
„Finlay Stern, mein Vater, ist der Geschäftsführer von Macfarlanes Bre n nerei“, ergänzte sie. Aidan stutzte, denn Vater hatte ihm noch nicht den Namen verr a ten. Schließlich war er ja erst zum Semesterbeginn aus Kanada zurückg e kehrt.
„Das freut mich, Amber. Dann sehen wir uns sicher.“
„Ich denke schon. Also, bis dann.“
Eilig verließ sie den Saal und er ertappte sich dabei, wie er ihr nachsah.
8.
A mber stand am Fenster und beobachtete den Regen, der wie ein dichter Schle i er auf die Oberfläche des Loch Gealachs fiel. Der Sturm peitschte das Laub von den alten Weiden am Ufer. Die Blätter wirbelten durch die Luft, bis sie schlie ß lich als bunter Teppich auf der Wasseroberfläche trieben. Das trübe Tagesgrau ve r schluckte die leuchtenden Herbstfarben. Ein Tag, an dem man am besten in eine Decke g e kuschelt die Zeit vor dem Kamin verbrachte.
Immer wieder spielte sie in Gedanken die Szene des Vormittags durch. Als sie vor Aidan gestanden hatte, schienen alle physikalischen Gesetze außer Kraft getreten zu sein. Beim nächsten Mal musste sie sich z u sammenreißen, durfte ihn nicht mehr so anstarren, und vor allem nicht stottern. Ihr Benehmen war pei n lich gewesen. Sie tröstete sich damit, dass er es bestimmt gewöhnt war, solche Situati o nen zu erleben.
Wie es sich wohl anfühlen mochte, wenn seine Lippen die ihren berührten? Amber schloss die Augen und rief sich in Erinnerung, wie es gewesen war, als sie Charles geküsst hatte. Da war kein Trommelwirbel in ihrer Brust gewesen, wie sie es sich wünschte. Bei einem Kuss Aidans würden Stürme in ihr toben, sie mitreißen in eine Dimension ungeahnter Leidenschaft. Wie lange war es eigen t lich her, dass sie leide n schaftlich geküsst worden war? Oder Sex hatte? Zu lange. Wahrscheinlich spielten ihre Hormone wegen der Abstinenz bei diesem gutau s sehenden Kerl verrückt. Außerdem gab es genug unter den Studenti n nen, die sich mit ihm einlassen würden. Sie war doch nur die Zwei t besetzung für die Rolle der Paula. Und das war auch gut so, mehr kam nicht infrage. Auf ein em o tionales Desaster konnte sie gut ve r zichten.
Paula. Diese Rolle war ihr wie auf den Leib geschneidert, und seinerzeit mit Her z blut von ihr gespielt worden. Da die Aufführung in London schon ein paar Monate zurücklag, musste sie den Text wiederholen, um sich nicht lächerlich zu machen. A m ber drehte sich um, und zog das Textbuch aus dem Regal. Damals in London hatte Charles den Roger, den heimlichen Liebhaber Paulas, gespielt. Es war ihr also nicht schwergefallen, ihn im 2. Akt zu küssen, weil sie ein Paar g e wesen waren. Aber wenn sie an einen Kuss mit Thomas dachte, verspürte sie Unbehagen. Am Ende des letzten Aktes, in der Abschiedsszene zw i schen Paula und Roger, waren ihr tatsächlich die Tränen gekommen. Charles hatte sich da r über amüsiert, und es als dramatische Einlage bezeichnet. Aber A m ber konnte den Schmerz Paulas nachempfinden, als Roger in den Gol f krieg zog, und die Ungewissheit auf ein Wiede r sehen zurückblieb.
Amber schlug die Szene des letzten Aktes auf, und sprach laut Paulas Textpa s sagen, die sie zu ihrer Zufriedenheit zum größten Teil noch immer auswendig konnte. Immer, wenn sie die Stelle des letzten Zwiegesprächs erreichte, sti e gen Tränen hoch. Heute stellte sie sich vor, Aidan wäre Roger.
„Roger, ich habe mich vor diesem Tag gefürchtet“, sagte Amber.
„Vergiss mich nicht, Paula. Deine Liebe wird mir in den Kriegswi r ren Kraft geben.“ Amber sprach mit tiefer Stimme.
Sie zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte, und ihre Mutter den Kopf herei n streckte.
„Hallo, mein Schatz, schwelgst du in Erinnerungen an diese wunderbare Au f führung?“
Mom hatte damals in der ersten Reihe des Theaters gesessen und b e wundernd zu ihr aufgesehen. In ihrer Familie besaß keiner das scha u spielerische Talent, das ihr in die Wiege gelegt worden war. Sie waren vor Stolz fast geplatzt, als die Z u schauer sich von ihren Plätzen erhoben, und ihr applaudierten. Ein wahres Gä n sehau t erlebnis.
„Mom, ich darf die
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