Mond der Unsterblichkeit
Vater.“
„Ja.“
„Hermit und mein Vater hatten vor Jahren einen Streit. Sie wissen wahrschei n lich noch nicht mal mehr genau, worum es dabei ging. Wenn zwei Sturköpfe au f einandertreffen, ist das eben vorprogrammiert.“
„Hermit meinte auch, dein Vater sei ein Druide.“
„Mein Vater bezeichnet sich als solchen. Egal, was man darunter auch versteht. Gott sei Dank rennen sie nicht den ganzen Tag mit einem magischen Stab durch die Gegend, obwohl es ihnen zuzutrauen wäre. Sie übertreiben oft. Vater und Hermit leben noch in der Ve r gangenheit. Alte Bräuche und Riten sind ihnen wichtig, selbst wenn sie an Gott glauben. Er und Vater haben die Rituale früher gemeinsam z e lebriert, bis zum Tag dieses Streits.“
„Ich habe deinen Vater gestern Abend beobachtet, wie er mit einer Schar Le u ten Kruzifixe verbrannt hat.“
„Mag sein. Ich habe mich mit der Bedeutung dieser Rituale nicht intensiv b e schäftigt, weil ich nicht daran glaube. Das ist es, was ihn ärgert. Aber hinter den meisten christlichen Feiertagen steckt ein hei d nischer Brauch. Das hat nichts mit Magie, sondern mit Überlieferung alter Trad i tionen zu tun.“
Er hatte diese Rituale schon als Kind gehasst, weil Vater ihn zu all dem g e zwungen hatte. Zum Glück stand seine Mutter dem Druide n orden ablehnend gegenüber. Seitdem Vater von seiner Krebserkrankung erfa h ren hatte, flüchtete er sich in eine mystische Welt jenseits der Realität. Er war von dem Gedanken besessen, durch alte Rituale g e heilt zu werden. Ärzte lehnte er ab. Doch darüber wollte er mit Amber jetzt nicht sprechen. Ihre Nähe tat ihm gut. Seit der Tre n nung von Moira lag Einsamkeit über ihm. Der Schmerz war noch präsent. A m ber war seit Langem die Erste, die die Mauer um sein Herz zum wanken brachte, ihm zuhörte und ihn zu verstehen schien. Moira war seine Beziehung zu se i nem Vater stets gleichgültig gewesen.
„Dieses Ritual war beängstigend. Dein Vater und diese Leute wir k ten wie der Ku-Klux-Klan.“
„Du liebe Güte, die verkleiden sich halt gern. Mach dir keine So r gen. Niemand von denen könnte e i ner Fliege was zuleide tun.“
Aidan blieb stehen. Das Verhalten seines Vaters am Tisch hatte ihn b e schämt und verärgert. Das Beste wäre, er nähme die Stelle in Kanada an, um von ihm Abstand zu gewinnen.
„Wir sollten zurückgehen. Es ist schon spät“, schlug er vor. Wor t los wandte er sich um, und ging zum Schloss zurück, ohne ihr eine Chance auf Antwort zu geben.
Sie holte ihn ein und hielt ihn am Ärmel fest. Amber räusperte sich. Sie sta n den unter einer der Laternen, ihr Gesicht dem seinen nah.
„Wenn du mal jemanden zum Reden brauchst, ich bin eine gute Z u hörerin“, flüsterte sie.
Er nickte und konnte seinen Blick nicht von ihren schön geschwungenen Li p pen abwenden, die sich ihm in Erwartung eines Kusses entgegen wölbten. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt, und er spürte ihren warmen Atem auf seinem Gesicht, der nach Minze duftete. Er hatte lange keine Frau mehr geküsst, geschweige denn geliebt, viel zu lange. Diese Tatsache wurde seinem Körper gerade schmerzlich bewusst. Amber stellte eine ungeahnte Verlockung dar, die seine Hormone in Wallung brachten, und ein lustvolles Zi e hen in seinen Lenden bewirkte. Aber sie war seine Studentin. Deshalb konnte er sich unmö g lich dazu hinreißen lassen, seine Li p pen auf die ihren zu pressen, selbst wenn er es noch so gerne täte. Er war nahe daran, seine Beherrschung zu ve r lieren. Das durfte nicht geschehen. Abrupt wandte er sich ab.
„Wir sehen uns dann Morgen bei der Probe, Amber“, sagte er he i ser.
„Ja“, hauchte sie. Sie war enttäuscht, das hörte er aus ihrer Stimme. „Gute Nacht, Aidan.“
„Gute Nacht, Amber.“
10.
N achdenklich ging Amber zu ihrem Zimmer. Wie kon n te Aidan nur so sicher sein, dass sein Vater und dessen Anhänger nichts Böses planten? Wenn du dich da mal nicht täuschst, Aidan Macfarlane, dachte sie.
Im Flur war es ungewohnt still. Normalerweise drehte Kevin seine Stereoanl a ge voll auf. Sie schlich zu seiner Zimmertür und drückte ihr Ohr daran. Es war muck s mäuschenstill.
„Kevin?“, rief sie und pochte gleichzeitig an die Tür.
Als sie keine Antwort erhielt, drückte sie die Klinke herunter. Kevin saß mit dem Rücken zu ihr vor dem PC, ganz in die virtuelle Welt ve r sunken. Amber trat hinter ihn und sah über seine Schulter auf den Bil d schirm.
Kevin schrak zusammen. „Mann,
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