Mond der verlorenen Seelen
dem rasanten Tempo schloss Amber die Augen und presste sich eng an seinen Rücken. Sie war froh, als sie den Innenhof des Schlosses erreichten. Sam bremste abrupt. Sie stieg ab und schlug ihm gegen die Schulter.
„Wieso musstest du so rasen? Ich wurde heute schon geschockt!“
„Fürchtest du dich vor dem Tod, Amber?“, flüsterte er.
Es war mehr der Tonfall, der ihr unter die Haut ging, als der Sinn seiner Worte.
„Du etwa nicht?“
Jetzt lachte er wieder, tief und melodisch, was sie auf eine merkwürdige Weise Ina berührte.
,,Danke, Sam. Bye bye.“ Amber nickte ihm zu und wandte sich dann um. Überrascht starrte sie auf die behandschuhte Hand, die ihr Handgelenk schnappte.
„Wir sehen uns wieder, Amber.“
Er klappte das Visier hoch, seine Augen hielten ihren Blick gefangen. Nur Aidan sprach ihren Namen in diesem sinnlichen Ton aus. Samuel war geheimnisvoll, distanziert und auf eine gefährliche Art faszinierend.
Hinter ihr knarrte eine Tür. Als sie sich umwandte, begegnete sie Aidans Blick, der anklagend war, als hätte sie etwas Verbotenes getan. Sam ließ sie los und sah ebenfalls zu Aidan hinüber. Die beiden Männer maßen sich mit Blicken wie zwei Platzhirsche in der Brunft. Amber spürte, dass keiner dem anderen gegenüber kompromissbereit war, im Gegenteil, es brauchte nur einen winzigen Moment, um eine unüberbrückbare Kluft entstehen zu lassen. Aidans Augenbrauen zogen sich drohend zusammen, woraufhin Sam den Kopf in den Nacken legte und auflachte. Dann stülpte er das Visier wieder runter, tippte zum Gruß an seinen Helm und brauste davon. Wie eine dunkle Gewitterwolke hing Aidans Missstimmung über Amber und würde sich gleich entladen. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, platzte er auch schon heraus.
„Wo zur Hölle bist du die ganze Zeit gewesen? Und was hast du mit diesem Kerl zu schaffen?“
Er sollte sich lieber erkundigen, weshalb sie so abgekämpft aussah, und sich Sorgen machen. „Was regst du dich so auf? Mein Gott, Aidan, ich bin doch nur bei Hermit gewesen.“ Mit knappen Worten berichtete sie von ihrem Erlebnis nach dem Besuch beim Eremiten, ohne ein Detail auszulassen. Allmählich beruhigte sich Aidan.
„Ein Dämon? Bist du sicher?“
„Natürlich. Hast du nicht gespürt, dass ich Hilfe gebraucht habe?“
Aidan schüttelte den Kopf.
Amber versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
Aidan blickte sie liebevoll an. „Nicht auszudenken, was dir hätte geschehen können.“ Er zog sie an sich, barg ihren Kopf an seiner Brust und küsste sie aufs Haar. „Versprich mir, dass du nicht mehr allein durch den Glen rennst.“
Amber antwortete nicht sofort. Sie spürte, wie sehr er sich um sie sorgte. Aber eine bleierne Schwere hatte sie erfasst. Sie war zu erschöpft und genoss das Gefühl seiner Arme um sie.
„Versprich es mir, Amber.“
„Okay“, antwortete sie und sah zu ihm auf.
„Trotzdem finde ich es seltsam, dass der Kerl so plötzlich in der Botanik mit seinem Motorrad auftauchte.“
„Der war bestimmt auf einer Spritztour. Da oben gibt es geile Kurven für Motorradfahrer.“ Amber gähnte herzhaft und ließ sich seufzend gegen seine Brust sinken. Samuel war ihr völlig egal, was sie brauchte, war Ruhe. Sie konnte nicht verstehen, was Aidan vor sich hinmurmelte, aber es war bestimmt nichts Gutes über diesen Samuel Duncan. Sie wollte nur noch schlafen. Aidan hob sie auf die Arme und trug sie in die Wohnhalle, wo er sie sanft auf eines der breiten Ledersofas bettete. Seine Fürsorge tat gut. Das war der Aidan, den sie kannte. Leise seufzend kuschelte sie sich in die Kissen und bedeutete ihm, sich zu ihr zu setzen. Gleich darauf schlief sie ein.
-7-
A ls Amber die Augen aufschlug, lag sie noch immer auf dem Sofa, aber Aidan war fort. Wenn es dunkel wurde, erfasste ihn eine Unruhe, die ihn aus dem Haus trieb. Noch immer konnte sie sich nicht an seine stundenlangen Ausflüge gewöhnen, von denen er ihr nichts erzählte. Wenn er zurückkehrte, lag etwas in seinem Blick, das ihr Furcht einflößte. Nur wenn sie sich leidenschaftlich liebten, vergaß sie die Distanz. Sie entfremdeten sich von Tag zu Tag ein Stückchen mehr. Nur Aidan schien es nicht so zu empfinden.
Die Standuhr schlug acht und erinnerte Amber, dass sie eigentlich Beth in Edinburgh hatte besuchen wollen. Jetzt verspürte sie ein schlechtes Gewissen. Gleichzeitig schwand ihre Hoffnung, durch Beth kurzfristig einen Job zu finden. Sie war bestimmt sauer auf sie
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