Mond der verlorenen Seelen
Kost.“
Kräftige Arme umschlangen Amber und drückten ihr die Luft ab. Irgendwie hatte sie diese herzliche Begrüßung vermisst. Der vertraute Duft von Georgias Maiglöckchenparfüm kitzelte Amber in der Nase.
„Amber ist nicht dürr, sondern schlank“, verbesserte Mom und winkte Kevin zu, der sich gerade aus dem Zimmer stehlen wollte.
Georgia ließ Amber los und sah über deren Schulter zu Kevin. „Noch immer kein Benehmen. Komm her, Bürschchen und begrüße deine alte Tante.“
Amber musste sich bei Kevins Miene ein Lachen verbeißen, als die Tante ihn in die Wangen kniff. Dann sah sie zu Aidan.
„Und Sie sind sicher Aidan, nicht wahr?“ Sie nickte ihm zu und taxierte ihn.
„Sie gehen wohl nicht viel an die frische Luft? Sie sind ja leichenblass.“
Kevin begann zu prusten, während Amber zusammenzuckte. Aber sie hätte mit der Direktheit der Tante rechnen müssen, deren scharfem Blick nichts entging. Amber sah gespannt zu Aidan, dessen Miene ausdruckslos blieb. Sie befürchtete, er könnte aufbrausen. Wider Erwarten nahm er es gelassen.
„Die Blässe liegt bei uns in der Familie.“
Er zwinkerte Amber zu, die nur froh war, dass er Tante Georgia nichts über Vampirmythen erklären wollte. Die hätte sich veralbert gefühlt. Solche Kreaturen besaßen keinen Platz in ihrer Welt.
„Ich werde euch schon alle aufpäppeln.“
Aus Höflichkeit setzten sie sich alle drei an den Tisch und lauschten den Erzählungen der Tante. Nach dem üblichen Austausch über Kochrezepte zwischen den beiden Schwestern, bei dem Amber fast eingeschlafen wäre, horchte sie auf, als Georgia von den ungeklärten Morden an den jungen Frauen der Umgebung berichtete. Aidans Blick wurde wachsam, sein Körper spannte sich an.
„Sicher habt ihr das alle im Fernsehen verfolgt. Der Mörder vergewaltigt sie nicht nur, sondern lässt sie ausbluten. Das ist doch grauenvoll. Und alles bei euch in der Gegend.“
„Georgia“, fiel Mom ihr ins Wort und schüttelte den Kopf. Amber schätzte die Offenheit ihrer Tante.
„Du hast ja recht. Aber Dana, du darfst Amber auf keinen Fall abends allein ausgehen lassen.“ Tante Georgia schwenkte den erhobenen Zeigefinger vor Moms Nase. Mom wollte gerade etwas erwidern, als Amber ihr zuvorkam.
„Ich bin erwachsen, falls es dir entgangen sein sollte, und außerdem begleitet Aidan mich oft.“ Und er besitzt Kräfte, von denen du nur träumen kannst, fügte sie in Gedanken hinzu.
„Junger Mann, auf Ihnen lastet eine große Verantwortung. Passen Sie mir ja auf meine Nichte auf, sonst lernen Sie mich kennen.“ Sie zwinkerte ihm zu, was ihre Worte milderte.
„Das werde ich.“
Deutlich spürte Amber eine zunehmende Unruhe Aidans, obwohl er nach außen hin unbeteiligt wirkte. Energiewellen strömten von ihm zu ihr herüber. Zwischendurch blickte er immer wieder verstohlen auf seine Uhr.
„Wir müssen leider noch etwas erledigen.“ Amber stand auf und warf Aidan einen vielsagenden Blick zu.
Er stellte keine Fragen und stand wortlos auf.
„Ach, Amber, nun bin ich enttäuscht. Ich dachte, du zeigst mir erst mal mein Zimmer. Deine Mutter muss noch bügeln. Oder Kevin kann das machen.“
Kevin zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen und sah Amber flehend an.
„Gern zeige ich dir dein Zimmer, Tante Georgia. Mom, soll Tante Georgia ins grüne Gästezimmer?“ Amber sprang für ihren Bruder in die Bresche.
„Natürlich. Alles ist vorbereitet“, antwortete Mom. „Die Handtücher liegen oben in der Kommode.“
Hoffentlich wartete Aidan auf sie. Amber versuchte, in seiner Miene zu lesen, aber sie blieb ausdruckslos. Nur um seine Augen zuckte es. Die rasch einsetzende Dämmerung war das Zeichen für ihn, wieder auf Streifzug zu gehen. Ein dumpfer Druck baute sich in ihrem Magen auf, denn sie wollte nicht, dass er ging.
„Ich gehe rüber“, sagte Aidan, verabschiedete sich lächelnd von Tante Georgia und verließ den Raum, ohne Amber anzusehen. Das gab ihr einen Stich.
„Ein Bild von einem Mann“, schwärmte ihre Tante. „Wenn ich zwanzig wäre, könnte er mir gefährlich werden. Halt ihn fest, sonst schnappt ihn dir noch eine andere weg.“ Sie boxte Amber freundschaftlich in die Seite.
Amber quälte sich ein Lächeln ab. „Komm, Tante Georgia.“ Sie griff nach dem Ellbogen der Tante und führte sie hinaus.
„Was für ein prächtiges Zimmer. Deine Mutter besitzt ein Händchen dafür.“ Tante Georgias grüne Augen funkelten vor Begeisterung wie Smaragde.
„Ja, das
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