Mond-Elfe
worden.
Immerhin erfreute ihn die Nachricht, daß es keine Verschwörung gab. Das bedeutete, daß kein Land-Luft-Krieg im Anzug war, sondern daß es sich ausschließlich um einen Raubüberfall durch einen Stamm handelte. Mit einem Stamm konnte er verhandeln. »Danke für deine Nachricht, Häuptling«, sagte er. »Ich freue mich darüber, daß wir gegenwärtig keinen Streit haben.«
»Also, wenn ich nicht auf Gloha und den Simurgh Rücksicht nehmen würde, hätten wir einen, Schweißflanke!« verteidigte sich der Häuptling.
»Dessen kannst du sicher sein«, pflichtete Cheiron ihm bei, denn er wollte ihn versöhnlich stimmen. »Vielleicht ändert sich das ja eines Tages.«
»Ja«, seufzte der Häuptling und ließ sein erstes Lächeln sehen.
»Tschüs, Großvater«, sagte Gloha und küßte ihn auf die Wange. Der Kobold blickte finster drein, aber es gelang ihm nicht ganz, sein unkoboldhaftes Vergnügen zu verbergen.
Dann flog Gloha wieder auf Cheirons Rücken. Diese sprang in die Luft, tippte sich mit dem Schweif an und spreizte seine Schwingen. Der Rückstoß pustete eine Sandwolke in das Gesicht des Häuptlings. Cheiron tat so, als bemerkte er das nicht – schließlich konnte der Sandstrahl das Aussehen des Kobolds nur verbessern.
»Bring mich nicht nach Hause«, sagte Gloha. »Ich werde mit dir zum Berg Sauseschnell fliegen.«
»Aber du solltest dich nicht in solch häßliche Geschäfte verwickeln lassen«, protestierte er.
»Doch, sollte ich. Wenn ein anderer Koboldstamm das getan hat, wirst du jemanden zum Verhandeln brauchen, den sie nicht sofort angreifen.«
»Aber das wird für dich riskant werden, Gloha! Du weißt, daß normale Zentauren Mischlinge nicht mögen; Kobolde könnten sie genausowenig leiden.«
»Das kann sein«, argumentierte sie, »aber ich gehe ein größeres Risiko ein, wenn ich hier nicht herauskomme und keine Leute treffe.«
»Ein größeres Risiko?«
»Na, die Gefahr, eine alte Jungfer zu werden.«
Nun wurde ihr Beweggrund klar. Sie war fünfzehn und gerade reif geworden für Romanzen. Ihr eigener Stamm mochte gegenüber einem geflügelten Kobold zwar tolerant sein. Aber im allgemeinen waren Kobolde exogamisch, das hieß sie zogen es vor außerhalb ihres eigenen Stammes zu heiraten. Exogamie konnte als hervorragender Vorwand dafür dienen, viele Männer aus vielen verschiedenen Stämmen kennenzulernen und herauszubekommen, wer tolerant war und wer nicht. Ihre Entscheidung, sich lieber die Koboldstämme als die Harpyien vorzunehmen, war vernünftig; denn noch immer gab es so wenige männliche Harpyien, daß es böses Blut geben würde, wenn sie auch nur versuchte, männliche Harpyien kennenzulernen.
»In Ordnung, wenn dein Vater dem zustimmt.«
»Er wird zustimmen«, sagte sie zuversichtlich.
Daran gab es wohl keinen Zweifel. Wie die meisten weiblichen Teenager konnte sie ihren Vater um den kleinen Finger wickeln, wie sie es auch mit ihrem Koboldgroßvater getan hatte. Cheiron mußte zugeben, daß sie sich tatsächlich als nützlich erweisen könnte. Denn die meisten Kobolde waren reichlich bärbeißig – und schuldbewußte Kobs würden noch schlimmer sein. Wie unfreundlich wären sie wohl, wenn sie ihr begegneten? Sicherlich weniger als üblicherweise. Vor allem, wenn es sich um junge Männer handelte, die an hübschen jungen Frauen interessiert waren – und das waren sie alle.
Der Berg Sauseschnell kam bald in Sicht. Cheiron fühlte sich etwas erleichtert, weil der Täterkreis eingegrenzt worden war. Doch die Sache war nach wie vor verzweifelt ernst.
Eine Harpyie flog auf, als er landete. »Neuigkeiten, Pferde-Vogel!« kreischte sie. »Ich habe dein Fohlen gesehen!«
»Wo denn?« fragte Cheiron aufgeregt.
»Mit einer lustigen großen Elfe, die ebenfalls Gefangene der Goldenen Horde war, schleppte es sich mühsam südwärts.«
Cheiron durchlief es eiskalt. »Die Horde? Bist du da sicher?«
»Sicher bin ich sicher!« kreischte sie. »Das ist doch mein heimatliches Revier. Ich schnappe mir das, was sie zurücklassen. Deshalb beobachte ich sie. Als ihre Späher von Frischfleisch auf dem Fluß berichteten, hasteten sie dahin und holten es sich mit Hilfe von Fracto der Wolke. Ich wette, man wird sie beide kochen!«
Cheiron war selten sprachlos, doch diesmal war er es, aus verständlichen Gründen. Also sprang Gloha für ihn ein. »Dank dir, Harpyie. Wir wissen deine Information zu schätzen. Und wir werden sofort aufbrechen, um Che zu retten.« Dann überlegte sie von
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