Mond-Elfe
eine Frage zu stellen.«
»Es ist nicht die, die ich gerne stellen würde.«
»Vielleicht können wir Dolph dazu bringen, sie zu stellen.«
»Dazu müßten wir ihm erst einen Liebestrank verabreichen!«
Nada hielt inne. »Jetzt frage ich mich…«
»Vergiß es! Selbst wenn er mich liebte, würde er dich immer noch lieben, und du bist all das, was ich nicht bin, und…«
»Jetzt hör aber auf, Lectra! Du bist nicht weniger nett als alle anderen, und…«
»Und ich habe auch Sommersprossen.«
»Ach, du bist ein hoffnungsloser Fall«, rief Nada verärgert aus. Sie war so liebenswert, wenn sie sich ärgerte, wie Electra es nicht war.
»Das war es, was ich dir klarmachen wollte.«
Nada wechselte das Thema. »Deshalb werden wir beide reingehen. Zusammen. Und zwar, sobald wir herausgefunden haben wie.«
Electra betrachtete nachdenklich den Burggraben. Sie konnte keine Ungeheuer im Burggraben sehen, aber sie lauerten ganz gewiß irgendwo. Sie konnten nicht eher ohne Gefahr losschwimmen, bis Nada sich in ein größeres Monster verwandelt hatte.
»Stell dir vor, du wirst zu einer riesigen Wasserschlange und…«
»Genau meine Idee! Also los.« Nada wand sich aus ihren Kleidern, reichte sie herüber und wurde zur Schlange. Electra stopfte die Kleider in ihren wasserdichten Rucksack und stieg auf Nadas Rücken, wie sie es auch auf ihrer Reise auf dem Zauberpfad getan hatte. Nada glitt ins Wasser und begann, den Graben zu durchqueren. Electras Füße und Kleidung wurden dabei zwar naß, aber sie ließ sich dadurch nicht aufhalten, denn sie würden schon rechtzeitig wieder trocknen.
Am gegenüberliegenden Ufer konnte sie eine Bewegung ausmachen. Electra schaute gespannt nach vorne. »Ich sehe nur Muscheln«, berichtete sie. Dann lachte sie. Sie sah Seemuscheln am Meeresstrand! Nur daß es der Rand des Burggrabens war.
Es krachte, und etwas flog auf sie zu. »Geh in Deckung!« schrie Electra.
Nada verschwand, und Electra tauchte unter. Aber der Gegenstand verfehlte sie und plumpste hinter ihnen ins Wasser.
Nada kam wieder an die Oberfläche und streckte den Kopf mit einem Zischen heraus.
»Ich weiß nicht«, sagte Electra. »Es sah wie eine fliegende Muschel aus, auf die jemand die Zahl .22 gemalt hat.«
Nada schüttelte den Kopf. Sie wurde nicht schlau daraus. Electra verstand ihre Verwirrung. Seit wann konnten Muscheln fliegen? Normalerweise lagen sie am Strand oder unter Wasser.
Dann hörte man einen lauteren Knall, und eine größere Muschel kam geflogen. Auf dieser stand die Zahl .357. »Runter!« schrie Electra.
Sie tauchten wieder, und die Muschel verfehlte sie.
Einen Moment später bewegten sie sich weiter – und eine noch größere Muschel mit der Aufschrift .45 kam auf sie zugeflogen. »Noch eine!« schrie Electra und warf sich zur Seite.
Als sie sich wieder aufrichtete, klickerte etwas in ihrem Kopf – »Es ist eine Aufgabe!« stieß sie atemlos hervor. »Diese Muscheln gehören zur ersten Verteidigungslinie!«
Nada wendete, und sie näherten sich erneut dem äußeren Ufer. Als sie dort angelangt waren, nahm Nada wieder die Gestalt einer Frau an und stieg aus dem Wasser. Ein Mann, der in einiger Entfernung am Burggraben stand, fiel hinein. Offenbar hatte er zuviel gesehen und war wie vor den Kopf geschlagen. Electra war sich sicher, daß es nicht ihr eigener schmutziger Körper in den nassen Kleidern war, der das verursacht hatte.
»Ich habe noch nie von fliegenden Muscheln gehört!« wunderte sich Nada. »Wie schaffen wir es, an ihnen vorbeizukommen, wenn sie immer größer werden?«
Electra konzentrierte sich. »Mir fällt gerade etwas ein, vielleicht von meinem Besuch in Mundania. Manche Leute werfen gerne Muscheln auf Schiffe, glaube ich. Oder auf Bullen. Irgend etwas in dieser Art. Die Augen… es klingt so gemein…«
»Bull-Augen!« stieß Nada hervor. »Ich habe davon gehört. Es sind keine richtigen Tiere, sondern runde, dunkle Öffnungen. Wenn wir so eine malen, werden die Muscheln vielleicht darauf zufliegen.«
Es schien einen Versuch wert zu sein. Sie suchten nach etwas Passendem und fanden ein riesiges weißes Kissen an einem Kissenbusch und eine Stelle mit Bündeln von Pinselbüschen. Einen davon nahmen sie, um einen großen Kreis zu malen, der zwar überall ausfranste, aber irgendwie doch einem Auge ähnelte – eine gerade Linie hätte man damit natürlich nicht zeichnen können. Dann ließen sie das Kissen im Burggraben zu Wasser, wobei das Auge nach oben gerichtet
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