Mond-Elfe
nahm auf dem Rücken der Schlange Platz. Nada kam mit ihren schlängelnden Bewegungen immer schneller voran. Es gab eine gewisse Ähnlichkeit in der Art und Weise, wie sie sich auch in ihrer menschlichen Gestalt fortbewegte, jedoch zeigte es dort eine weit größere Wirkung auf die Augen der Männer in ihrer Nähe: Sie fielen ihnen buchstäblich aus dem Kopf. Tatsächlich machte im Augenblick sogar der Golem große Augen. Vielleicht lag es daran, daß Nada keine Kleidung trug. Grundy hatte eine absolut liebenswerte Frau namens Rapunzel, aber wie alle männlichen Wesen schaute er gern jedem Rock nach, der ihm unter die Augen kam. Sofern der Ausdruck ›Rock‹ momentan für Nada überhaupt zutraf. An Electra hatte er keinen weiteren Blick verschwendet, und dies nicht nur, weil sie Kleider anhatte. Wenn sie mit Nada zusammen war – was meistens der Fall war –, schaute kein Mann sie ein zweites Mal an. Daran war sie schon gewöhnt.
Es war zu schade, daß Nada Dolph nicht genauso liebte wie er sie. Aber natürlich war sie auch fünf Jahre älter als er: mittlerweile zwanzig, während er fünfzehn war. Nada war eine wohlerzogene junge Dame, während Dolph – nun, sogar Electra mußte zugeben, daß er in gewisser Weise ungehobelt war. Aber Electra liebte ihn so; sie liebte ihn so und so, denn sie konnte aufgrund des Zaubers, der auf ihr lag, nichts dagegen tun. Sie mußte den Prinzen lieben und heiraten, der sie nach ihrem (na ja, beinahe) tausendjährigen Schlaf wachgeküßt hatte. Eigentlich hätte gar nicht sie, sondern eine andere in diesen Schlaf fallen sollen, zumal sie zweifellos keine Prinzessin war. Aber der Fluch des bösen Zauberers Murphy hatte alles durcheinandergebracht: Irgendwie hatte sie in einen Apfel gebissen, war in den Sarg gefallen, und nun war sie hier.
Eigentlich war Murphy gar nicht so böse, jetzt da er seinen Anspruch auf den Thron von Xanth fallengelassen hatte. Er hatte seine Magie eingesetzt, um seinem Sohn Grey dabei zu helfen, sich aus seiner schrecklichen Verbindung mit der bösen Maschine Com-Puter zu befreien. Ungefähr achthundert Jahre im Hirnkorallenteich – in dessen salzigen Bregen er gelegen hatte – hatten Murphy milder gestimmt, und zwanzig weitere Jahre in Mundania hatten den Rest besorgt. Electra hatte ihm vergeben, was er ihr mit seinem Fluch angetan hatte. Irgendwie mußte sie das auch tun, weil sie längst tot und vergessen gewesen wäre, wenn diese ganze Geschichte nicht stattgefunden hätte. Auf solche Dinge kam es eben an. Trotzdem war ihre gegenwärtige Lage nicht gerade rosig: Sie liebte einen Prinzen, der statt dessen ihre beste Freundin anhimmelte.
Genau genommen steuerte sie auf eine Krise zu. Der Gute Magier hatte in dem Buch der Antworten einige Nachforschungen angestellt und dabei entdeckt, daß ihre Verzauberung zeitlich begrenzt war, denn wenn sie den Prinzen nicht bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr heiratete, würde sie sterben. Ihre Verlobung konnte sie nur bis zu diesem Alter schützen, dann mußte sie sie einlösen. Wenn sie Dolph nicht heiratete und nicht diese Hochzeit vollzog, bevor sie achtzehn war, würde sie bei Anbruch ihres achtzehnten Geburtstages sterben.
Ihr genaues Alter zu schätzen war wegen ihres fast tausendjährigen Schlafs eine schwierige Angelegenheit. Aber man hatte herausbekommen, daß nur ihre ganz normalen Lebensjahre zählten. So war der Alterungsprozeß in jenem Moment zum Stehen gekommen, in dem sie in den Zauberschlaf fiel, und nachdem sie aus diesem wieder erwacht war, alterte sie weiter. Nach dieser Rechnung würde sie in der nächsten Woche achtzehn werden. Dolph würde wählen müssen. Er konnte das nicht vermeiden, denn wenn er nichts tat, würde sie sterben, so daß nur noch Nada zum Heiraten bliebe. Seine Eltern hatten ihr Wort gegeben, so daß er es nicht vermeiden konnte. Er mußte sich entscheiden und dann jene heiraten, die er erwählt hatte. So würde es geschehen: so oder so.
In gewisser Hinsicht war es für sie gar nicht so schlecht, daß Ches Entführung diese Ablenkung mit sich brachte, weil es ihre Gedanken von ihrem eigenen Problem fernhielt, oder sie zumindest daran erinnerte, daß sie nicht die einzige in Xanth war, die sich Sorgen machen mußte. Schließlich hatten auch viele andere Leute Probleme! Sie wußte, daß es ein Glück war, hier zu sein und diese sechs Jahre zusammen mit guten Freunden und ihrer großen Liebe auf Schloß Roogna zu leben. Auch wenn alles magischen Ursprungs und ohne Hoffnung
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