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Mond über Manhattan

Mond über Manhattan

Titel: Mond über Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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irgend etwas anderem. Nur damit sie wußte, daß sie damit nicht ewig durchkommen konnte. Selbst jetzt noch frage ich mich, was in mich gefahren war, sie zu heiraten. Vielleicht war ihr Gesicht zu hübsch, vielleicht war ihr Körper zu rund und mollig, ich weiß es nicht. Damals waren sie alle noch Jungfrau, wenn sie heirateten, ich dachte, sie würde schon noch Gefallen daran finden. Aber es wurde nie besser, immer nur Tränen und Kampf, Schreikrämpfe und Ekel. Für sie war ich eine Bestie, ein Abgesandter des Teufels. Fluch über dieses frigide Weibsstück! Hätte ins Kloster gehen sollen. Ich zeigte ihr das Böse und Schmutzige, das die Welt am Laufen hält, und das hat sie mir nie verziehen. Der Homo erectus war für sie nichts als ein schreckliches Ungeheuer: das Mysterium des männlichen Fleisches. Als sie dann endlich sah, was damit geschieht, zerbrach sie daran. Ich will nicht weiter davon reden. Es ist eine alte Geschichte, Sie kennen das sicher auch. Ich suchte mir mein Vergnügen anderswo. An Gelegenheiten herrschte kein Mangel, das kann ich Ihnen sagen, mein Schwanz litt nie an Vernachlässigung. Ich war ein flotter junger Gentleman, Geld war kein Thema, mein Horn war immer spitz. Ha! Ich wünschte, wir hätten Zeit, ein wenig mehr davon zu reden. Die bebenden Mösen, die ich erkundet habe, die Abenteuer meines dritten Beins. Die zwei anderen mochten außer Betrieb sein, aber ihr kleines Brüderchen hat sein eigenes Leben weitergeführt. Bis heute, Fogg, falls Sie das glauben können. Der kleine Mann hat nie schlappgemacht.
    Schon gut, schon gut, das reicht. Ist nicht von Belang. Ich zeige Ihnen nur den Hintergrund, den Rahmen für die Geschichte. Wenn Sie eine Erklärung für die Geschehnisse brauchen, wird meine Ehe mit Elizabeth Ihnen weiterhelfen. Ich behaupte nicht, daß sie der einzige Grund war, aber doch immerhin ein Faktor. Als es dann soweit war, verschwand ich ohne Bedauern. Ich sah meine Chance zu sterben und nutzte sie.
    Geplant habe ich das nicht. Drei oder vier Monate, dachte ich, und dann wollte ich zurückkommen. Die New Yorker Clique erklärte mich für verrückt, da rauszugehen, die begriffen nicht, was das sollte. Geh nach Europa, rieten sie mir, in Amerika gibt es nichts zu lernen. Ich erläuterte ihnen meine Gründe, und je mehr ich davon redete, desto aufgeregter wurde ich. Ich stürzte mich in die Vorbereitungen, konnte die Abreise kaum erwarten. Ich hatte mich frühzeitig entschieden, noch jemanden mitzunehmen, einen jungen Burschen namens Edward Byrne - Teddy, wie seine Eltern ihn nannten. Sein Vater war ein Freund von mir, und der überredete mich, den Jungen an der Reise teilnehmen zu lassen. Ich hatte keine ernstliche n Bedenken. Ich nahm an, seine Gesellschaft könnte mir willkommen sein; Byrne war ein beherzter Bursche, ich war ein paarmal mit ihm segeln gewesen, und ich wußte, der Kopf saß ihm fest auf den Schultern. Ein standhafter und aufgeweckter, kräftiger und athletischer junger Mann von achtzehn oder neunzehn Jahren. Er träumte davon, Vermessungsingenieur zu werden, wollte bei der U. S. Geological Survey anfangen und dann sein Leben lang in der freien Natur herumziehen. Das entsprach der damaligen Zeit, Fogg. Teddy Roosevelt, Schnauzbart, diese ganze männliche Großtuerei. Sein Vater kaufte ihm eine komplette Ausrüstung - Sextant, Kompaß, Theodolit, alles, was dazugehört -, und ich versorgte mich mit Malutensilien, die für ein paar Jahre gereicht hätten. Blei-, Kohle- und Pastellstifte, Farben, Pinsel, Leinwand, Papier - ich hatte die Absicht, viel zu arbeiten. Morans Gerede hatte bei mir eingeschlagen, und ich erwartete große Dinge von der Reise. Dort draußen würde ich meine besten Bilder malen, da sollte mir nicht das Material ausgehen.
    Daß ich weggehen wollte, ließ Elizabeth, die doch im Bett so gefühllos war, keine Ruhe. Je näher der Zeitpunkt meiner Abreise kam, desto unglücklicher wurde sie: Sie brach in Tränen aus, flehte mich an, die Sache abzublasen. Das begreife ich noch heute nicht. Man sollte meinen, sie wäre froh gewesen, mich loszuwerden. Aber sie war eine unberechenbare Frau, tat immer das Gegenteil von dem, was man erwartete. Am letzten Abend vor meiner Abreise ging sie sogar so weit, mir das höchste Opfer zu bringen. Ich glaube, sie hat sich vorher einen kleinen Rausch angetrunken - um sich Mut zu machen, Sie verstehen schon -, und dann hat sie sich mir tatsächlich hingegeben. Die Arme ausgebreitet, die Augen geschlossen, wie

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