Mondberge - Ein Afrika-Thriller
schloss die Augen wieder.
»Er ist fort«, antwortete Tom, während er ihr liebevoll mit der Hand die Haare aus dem Gesicht strich. »Er wird dir nie wieder etwas antun.«
Erneut sah sie Tom an, diesmal bekam sie die Augen schon weiter auf.
»Ist er tot?«
»Ja. Und du lebst.« Tom hatte Tränen in den Augen. Seine Hand fuhr ihr sanft über die Wange. »Ich ...«, flüsterte er, »ich liebe dich.«
Andrea sah ihn mit plötzlich ganz klaren Augen an.
»Du weißt nicht, worauf du dich einlässt«, murmelte sie mit einem winzigen Lächeln auf den Lippen.
»Ich glaube doch. Wir müssen nur noch den da«, er sah kurz zu Paul hinüber, »irgendwie hinter uns bringen.«
»Was ist jetzt?«, grollte Paul. »Kommt die jetzt wieder auf die Beine, oder muss ich mich selber darum kümmern?«
Andreas Blick verdüsterte sich. »Er ist also keine Einbildung?«, flüsterte sie.
»Leider nicht«, gab Tom zurück.
Paul trat an die beiden heran. Als Andrea ihn über sich sah, schloss sie die Augen wieder für einen Moment, doch bevor Paul etwas tun konnte, winkelte sie die Beine an und hievte ihren Oberkörper langsam hoch. Tom wollte ihr helfen, aber sie schob seinen Arm energisch fort. Noch einmal hustete sie röchelnd.
»Wir können so nicht losgehen«, sagte Peter. »Das schafft sie nicht.«
»Wenn sie das nicht schafft, dann tragt ihr sie eben«, antwortete Paul militärisch. »Oder wollt ihr etwa für immer hier bleiben?«
»Gib ihr zehn Minuten, damit sie zu sich kommen kann«, bat Peter.
»Fünf. Keine Sekunde mehr!«
Lässig lehnte sich der Rebellenführer an die Felswand und spielte mit seiner Pistole. Hitimana hatte sich sofort hinter Kambere verkrochen, nachdem Tom aufgesprungen war. Er durfte nicht von Paul erkannt werden. Mit einem abtrünnigen Mitglied seiner Armee würde der sicher nicht zimperlich umgehen. Zum Glück war es relativ dunkel, und die Gesichtszüge von Hitimanas schwarzem Antlitz waren nur schemenhaft zu erkennen.
Andrea benötigte exakt fünf Minuten, um sich von den schlimmsten Strapazen etwas zu erholen. Sie wankte, als sie kurz darauf den Weg am Rande des Sees hinaufgingen und die große Höhle im Gänsemarsch verließen. Peter ging mit einer Fackel voran, gefolgt von Kathrin, den beiden Jungen, Andrea, die von Tom gestützt wurde, und Georg. Tom war einen Moment irritiert, auch Kathrin wiederzusehen, hatte jedoch keine Gelegenheit, zu fragen, woher sie kam. Am Ende der Gruppe marschierte Paul mit seiner Pistole im Anschlag. Seine Drohungen, beim kleinsten Fehltritt zu schießen, untermauerte er glaubhaft, indem er einen Schuss an die Decke des Gewölbes abgab. Tom glaubte zu spüren, wie sein Trommelfell riss.
Ein Wunsch keimte in ihm auf, als er einen letzten Blick in die gewaltige Höhle warf: Er wollte das Herz des Ruwenzori erhalten. Wenn er hier rauskam, dann wollte er sich dafür einsetzen, dass die Mondberge so blieben, wie sie waren. Dass er das Tal mit einer Fotoreportage der Außenwelt preisgeben könnte, um seine eigene Karriere zu befördern, erschien ihm immer mehr wie ein unverzeihlicher Verrat an der Seele des Ruwenzori.
Der Marsch durch die Gänge des unterirdischen Labyrinths war mühsam, und Andrea war mehrfach kurz davor, zusammenzubrechen. Aber Tom half ihr bei jedem Schritt und ermunterte sie immer wieder weiterzugehen. Stockend und mit vielen Unterbrechungen berichtete Andrea ihm von der Auseinandersetzung mit Hans.
»Es ging ihm gar nicht um mich. Er wollte sich an meinem Vater rächen.« Tom ließ ihr Zeit, die richtigen Worte zusammenzusuchen.
»Er war mit meinem Vater befreundet«, fuhr Andrea mit brüchiger Stimme fort. »Sie sind früher wohl zusammen durch dick und dünn gegangen, waren gemeinsam hier in Uganda, bis Hans eines Tages nach Deutschland zurückgegangen ist. Auch als mein Vater mit Idi Amin kooperierte, hat Hans weiter zu ihm gehalten. Doch dann kam auch mein Vater wieder nach Deutschland. Er ist, wie immer, weich gefallen. Meine Großeltern hatten Geld ohne Ende, also konnte er spielend noch einmal neu anfangen. Hans hat ihm anscheinend dabei geholfen, über seine Freundin, die Mutter von Peter, hinwegzukommen, hat ihn gestützt und mit ihm zusammen Zukunftspläne geschmiedet. So wie sie das immer getan haben. Aber dann hat mein Vater Hans’ Freundin kennen gelernt. Von dem Tag an war ihre Freundschaft zerstört.«
Andrea schwieg eine Weile, bevor sie müde weitersprach.
»Hans behauptet, er und seine Freundin seien füreinander
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