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Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Titel: Mondberge - Ein Afrika-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer , Andreas Klotz
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schüttelte sich, doch der Junge war noch immer da. Allein. Etwa vierzehn Jahre alt. Er schien mit ihm zu sprechen. Und Tom glaubte ihn zu kennen. Das ungewöhnlichste aber war seine Hautfarbe. Er war weiß. Ein europäischer Junge, allein, mitten in Afrika.
    Tom drehte sich um – noch immer war niemand von den anderen zu sehen. Weder vor ihm, noch hinter ihm. Er hatte den Eindruck, in diesem geheimnisvollen Wald mit dem Jungen ganz allein zu sein. Er nahm seine Kamera zur Hand, wischte kurz über das Display, kontrollierte und änderte ein paar Einstellungen. Routiniert wie er war, dauerte das nur wenige Sekunden. Als Tom die Kamera hochnahm und wieder zur Seite blickte, war der Junge verschwunden. Woher kannte er ihn nur? Ein kalter Schauer durchlief seinen Körper. Er packte den Wanderstab fester mit der rechten Hand, um den Weg weiter hinauf zu gehen. Dann erahnte er den Jungen erneut neben sich – unscharf, beinahe durchscheinend. Er schaute Tom an, wandte sich gleich wieder ab und stieg mit weichen Bewegungen den Hang hinauf. Tom versuchte seine Gedanken zu sortieren.
    Eine Hand legte sich schwer auf seine Schulter, und Tom schrie vor Schreck auf. Steve stand neben ihm. »Tom, was ist los?«, fragte er.
    »Alles in Ordnung ... Ich war nur ...« Er wusste nicht, wie er es erklären sollte. Der Junge war verschwunden. Für einen Sekundenbruchteil erinnerte er sich an ein Foto, auf dem dasselbe Gesicht zu sehen war. Aber was hatte es mit dem Foto auf sich?
    »Tom?« Steve sah ihn sehr besorgt an. »Was ist mit dir? «
    Eine sanfte Brise zog durch den Wald, der Nebel lichtete sich und gab wieder den Blick auf den Weg vor ihnen frei.
    »Es ist nichts – es geht mir gut.« Er atmete tief durch. »Gehen wir weiter?«
    »Wenn du kannst ...«
    Langsam, Schritt für Schritt stiegen sie den steilen Pfad weiter nach oben. Nach einer Weile kamen sie an einer kleinen Quelle vorbei, die Tom fast übersehen hätte, wäre da nicht das Plätschern gewesen. Er trank einen tiefen Schluck Wasser und fühlte sich augenblicklich besser. Seine Lebensgeister kehrten zurück. Der Weg war nun nicht mehr so steil, und sie erreichten zügig ein großes Areal mit Gletscherschutt. Hier wartete Andrea bereits mit Martin. Auch die Träger rasteten an dieser Stelle. Tom setzte sich auf einen großen Stein, um sich auszuruhen. Nach und nach trafen alle anderen ein. Fast alle.

18
    Im Tal, acht Tage vor der Feier
    Das Tal der Bayira war lang gestreckt und rings herum von steilen Hängen hoher Berge eingefasst. An der tiefsten Stelle schlummerte ein See, dessen beinahe schwarzes Wasser unergründlich war. In der Mitte des Sees ruhte eine Insel. Sie war bewohnt. Das kleine Dorf bestand aus etwa zwei Dutzend Hütten, die sich im Kreis um einen Platz ringten. Zu jeder Familie gehörten ein paar Hütten, durch eine Umzäunung von den Nachbarn abgegrenzt. Rings um die Ansiedlung schloss sich eine dichte Hecke, die das Eindringen der Ziegen, die auf der anderen Seite der Insel lebten, verhinderte. Hinter dem Dorf lagen Felder, auch diese von einer Hecke umgeben.
    An den Hängen der Berge waren steile Plantagen und ebenfalls einzelne Hütten zu sehen. Doch die größte Fläche des Tals war von undurchdringlichem Urwald bewachsen. Über allem lag eine Wolkendecke, die so gut wie nie verschwand. Nur hin und wieder, bei Vollmond, rissen die Wolken auf.
    Kambere hatte in dieser Nacht von Kithasamba geträumt. Der Geist war ihm erschienen, begleitet von seinen Engeln. Er war wunderschön gewesen, hatte mit sanfter Stimme zu ihm gesprochen, aber an den Inhalt von Kithasambas Worten konnte sich Kambere nicht mehr genau erinnern. Dennoch wusste er jetzt Bescheid. Es war soweit. Kambere war vierzehn Jahre alt und hatte noch nie eine Beschneidungszeremonie erlebt.
    Er erhob sich leise von seiner Matte. Sein Vater schlief noch, ebenso seine kleinen Geschwister. Vorsichtig streckte er den Kopf aus der Hütte und blickte nach draußen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, ein heller Schimmer deutete jedoch ihre Ankunft an. Das Dorf lag ruhig im Dunst des herannahenden Tages. Schmale Rauchsäulen stiegen aus den Hütten rund um den zentralen Platz auf, seine Mutter kam mit einem gefüllten Wasserkrug auf dem Kopf quer über den staubigen Platz näher und schwatzte mit einer Nachbarin. Als sie Kambere aus der Hütte treten sah, verabschiedete sie sich von der Frau und zwinkerte ihm zu.
    »Mama, es ist soweit«, sagte Kambere.
    »Ich weiß.«
    Ihre Stimme klang

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