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Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Mondberge - Ein Afrika-Thriller

Titel: Mondberge - Ein Afrika-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer , Andreas Klotz
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sich nun in einem weiten Zirkel um die Jungen im Takt bewegten, bis Tsongo das Ritual bei seinem Sohn beendet hatte. Dann gab er die Schale an Balukus Vater weiter, der das Gesicht seines Sohnes mit dem Brei bestrich. Wiederum ertönte ein melodischer Schrei, der Ekstase nahe.
    Mit jedem Jungen, dessen Gesicht weiß bemalt wurde, wiederholte sich das Ritual. Die Trommeln wurden schneller, die Melodien der Frauen und Männer schlangen sich umeinander, das Xylophon wirbelte durch die Trommeln. Kambere bemerkte, dass er langsam in einen eigentümlichen Zustand glitt, als ob er eins würde mit den Rhythmen und Melodien. Er versuchte kurz, sich daraus zu befreien, doch er wurde immer tiefer in die Musik gezogen, die um ihn herum anschwoll und seinen gesamten Körper auszufüllen schien. Seine Beine begannen sich zu bewegen. Er erhob sich benommen. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen, dann schneller, seine Beine fanden in einen Tanz, als wäre er eine weitere musikalische Stimme. Gerade noch nahm er wahr, dass auch sein Freund Baluku zu tanzen begann. Irgendjemand nahm Kakule auf und trug ihn an den Rand der sandigen Fläche. Immer schneller stampften Kamberes Beine auf die Erde. Nach und nach verschwand alles um ihn herum im aufgewirbelten Staub und der Trance.
    Irgendwann verebbte das Xylophon, bis es ganz verstummte. Ihm folgten die Trommeln eine nach der anderen. Schließlich waren auch sie still. Nur die Stimmen erfüllten noch den Platz, die mal laut, mal leise modulierten, sich zusammenfanden und wieder eigene Wege gingen. Doch auch sie wurden nach einer Weile ruhiger. Am Ende waren es wieder nur die Mütter, die ihren Söhnen mit auf- und absteigenden Melodien Glück wünschten. Dann verstummten auch sie. Kamberes Bewegungen liefen aus, er stampfte nur noch ein wenig mit den Füßen auf, dann blieb er stehen und versuchte, sich in der Stille zu orientieren. Als er hochschaute, stand Baluku vor ihm. Sein bester Freund. Sie blickten sich in die Augen. Kambere grinste. Baluku begann laut zu lachen. Um sie herum setzte fröhliches Gemurmel ein. Nach und nach verließen alle den Platz. Noch acht Tage bis zur Beschneidung.
    Kamberes Dorf lag immer unter einer dichten Wolkendecke. Die Bergspitzen, die sich auf allen Seiten in den Himmel streckten, waren nicht zu sehen. Aber Kambere kannte sie alle. Die höchsten waren Kithasamba und den anderen Geistern vorbehalten. Die Berge zu erklimmen war eine Beleidigung der Geister, die Geister wieder zu besänftigen ein mühsamer und manchmal auch aussichtsloser Prozess.
    Kambere stand am Ufer der kleinen Insel inmitten des dunklen Sees. Hinter ihm ragte die hohe Hecke auf. Sie bestand aus ineinander verflochtenen Gräsern und Bambusstecken. Nur ein schmaler Durchlass war frei gehalten. Nachts wurde auch dieser verschlossen.
    Vor ihm erstreckte sich die spiegelglatte Fläche des großen Sees. Das Ufer auf der anderen Seite war nur hundert Meter entfernt. Ein kleiner Holzsteg ragte von der Insel ein paar Meter weit ins Wasser hinein; fünf Boote lagen mit Lianen vertäut am sanft abfallenden Ufer. Dunst waberte über das Wasser.
    Aus der Umzäunung des Dorfes trat sein Vater auf ihn zu.
    »Bist du bereit?«
    Kambere nickte.
    »Gut, dann können wir zur Jagd gehen. Hol das Netz, die anderen kommen auch gleich.«
    Der Junge rannte an der langen Hecke entlang, auf der die Netze der Jäger aufgehängt waren. Als er an die Anlegestelle zurückkehrte, waren Baluku und sein Vater schon dabei, in eines der Boote zu steigen. Kambere sprang in das nächste Boot, sein Vater kam dazu und sie legten ab. Weitere Mitglieder des Stammes stiegen in ihre Boote und nach einer Weile waren vier davon auf dem Weg zum anderen Ufer.
    Kambere liebte die langsame Überquerung des dunklen Wassers. Es war tief, sehr tief. Er hatte schon mehrfach versucht, bis auf den Grund zu tauchen, doch es war ihm nicht gelungen.

19
    Ostseite des Ruwenzori, am frühen Nachmittag des 12. Juni
    Tom fror. Ein eisiger Wind pfiff an dieser ungeschützten Stelle über sie hinweg, und seine Kleidung war schweißnass. Er wollte schon weitergehen, als er die Unruhe der Träger bemerkte. Sie stritten gedämpft und hektisch miteinander. Immer wieder ermahnten sie sich, leise zu sprechen und schauten sich besorgt um, bis schließlich einer von ihnen aus der Gruppe heraustrat. Imarika, den Hans zu seinem persönlichen Träger auserkoren hatte, eilte den Weg wieder zurück. Tom blickte die anderen fragend an, doch auch sie

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