Mondberge - Ein Afrika-Thriller
Aufgebracht erhob sich die Geschäftsführerin und setzte zu einer Schimpftirade an, doch Georg schoss seinerseits sofort mit Fragen los. Erfolglos, wie sich schnell herausstellte. Die Geschäftsführerin sank auf ihren Stuhl zurück – auch sie wusste nichts Näheres. Als Georg sich mit einer kurzen Entschuldigung abwandte, griff die Frau sofort wieder zum Hörer.
Beim Verlassen des Büros fiel seine Aufmerksamkeit auf ein altes Faxgerät, das in diesem Moment ratternd eine Nachricht ausspuckte. Er blieb stehen und starrte auf das leicht gelbliche Thermopapier, das sich langsam aus dem Schlitz schob. Der Briefkopf wies als Absender die staatliche Parkverwaltung aus, die Uganda Wildlife Authority. Zeile für Zeile entzifferte Georg die Details. Sie hatten den Nationalpark geschlossen. Ab sofort fanden keine Touren in das Gebirge mehr statt. Niemand durfte mehr hinein. Am Ende folgte eine klein gedruckte Liste. Hastig riss Georg das Papier ab. Namen. Eilig überflog er sie. Eine Übersicht der Entführten. Zuerst fiel ihm der Name seines Bruders ins Auge, und er wollte das Papier schon zur Seite legen, als er noch einen anderen Namen entdeckte, der ihn zurückschrecken ließ. Jetzt endlich wusste er, warum sein Bruder nach so vielen Jahren nach Uganda zurückgekehrt war.
»Verdammt!«
Er warf der Frau am Schreibtisch das Fax zu, die ärgerlich von ihrem Telefonat aufblickte.
Georg verließ sofort das Büro und erzählte Harald in knappen Worten, was er erfahren hatte.
»Dann ist unsere Tour ja wohl erst mal gestorben«, sagte der.
»Ganz im Gegenteil«, antwortete Georg. »Ich gehe hoch und suche Hans.«
Unter Haralds erstauntem Blick trat Georg auf die Rucksäcke zu, holte seine Regenjacke und ein paar andere Kleidungsstücke heraus. Er begann, alles umzupacken.
»Du bist völlig verrückt, allein in ein Gebirge an der kongolesischen Grenze zu gehen, wo gerade Touristen entführt worden sind! Du tust genau das, was du Stefan vorgeworfen hast.«
Georg richtete sich auf. »Wer sagt denn, dass ich allein gehe?« Provokant sah er seinen Kollegen an. »Du hast doch darauf bestanden, mitzukommen. Wie war das noch? ‚Ich hätte kein Problem damit, über die Grenze zu gehen‘, hast du getönt. Aber wenn du keine Eier in der Hose hast, dann kannst du ja zur Station nach Ruhija zurückfahren und unseren Studenten dabei helfen, die Berggorillas zu zählen. Ich werde dich nicht aufhalten.«
»Und wenn wir zu zweit gingen – du wirst keinen Guide finden, der uns begleitet. Und du weißt, wie gefährlich es da oben ohne professionelle Führung ist. Den Fehler hat Stefan schon gemacht.«
Georg schaute sich suchend um. Sein Blick blieb an einem Mann hängen, der gerade den Weg zum Backpackers hinaufging. Ein Lächeln huschte über Georgs Gesicht, als er sich in Bewegung setzte.
» Einen Guide haben wir, da bin ich sicher. Hallo Kibwana! Ich freue mich, dich zu sehen.«
»Georg, die Freude ist ganz meinerseits. Wenn auch der Zeitpunkt alles andere als ruhmreich für unser Land ist.« Sie gaben sich die Hand. Georg machte Kibwana mit Harald bekannt. Mit klaren Augen fixierte der Afrikaner den Europäer. Er schien zu prüfen, wie sich Harald in den Bergen machen würde.
Georg und Kibwana kannten sich seit der Zeit, als Georg zum ersten Mal einige Jahre in Ostafrika gelebt hatte. Der groß gewachsene Ugander war lange Zeit beim Militär gewesen, bis er sich mit seiner kleinen Firma selbstständig gemacht hatte, die Safaris und Touren für europäische Touristen organisierte. Georg hatte ihn damals finanziell unterstützt und damit die Grundlage der Firma geschaffen. Seither war Kibwana ihm in Dankbarkeit verbunden. Die beiden waren zu guten Freunden geworden, die wussten, dass sie sich jederzeit aufeinander verlassen konnten, auch wenn sie sich manchmal ein paar Jahre lang nicht sahen. Als Kibwana hörte, dass Georgs Bruder zu den Opfern des Überfalls gehörte, zögerte er keine Sekunde. Natürlich würde er Georg helfen.
Über eine offizielle Genehmigung brauchten sie erst gar nicht nachzudenken, die würde man ihnen ohnehin verweigern. Also mussten sie einen anderen Weg nehmen. Kibwana ging auf die Männer zu, die sich noch immer lautstark unterhielten, und sprach mehrere von ihnen an. Die Gruppe wurde sofort still. Nach ein paar Minuten kam Kibwana mit vier Männern zurück.
»Sie wollen 50.000 Schilling pro Tag«, sagte er. Etwa zwanzig Euro, überschlug Georg im Geiste. Das bekamen sonst höchstens die
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