Monde der Finsternis 03 - Mond der Ewigkeit
überfiel sie, als ihr bewusst wurde, dass dieses die letzte Begegnung mit ihrem Vater war. Sie musste zurück in ihre Welt und sie beschützen, aber die fremden Seelen schlossen einen Kreis und bedrängten sie. Immer wieder zuckte sie zusammen, als eine von ihnen sie berührte. Ihre Zeit war um, sie musste so schnell wie möglich zurück.
Sie konzentrierte sich auf ihren Körper und spürte bereits den Sog.
„Deine Zeit ist längst verstrichen. Verstrichen. Wir werden dich nicht loslassen. Nicht loslassen“, hallte es in ihren Ohren. „Du musst jetzt bei uns bleiben. Bei uns bleiben.“
Amber wollte den eisigen Berührungen ausweichen, aber es gelang ihr nicht. „Lasst mich. Ich muss zurück.“ In der Schattenwelt existierten keine Konturen, an denen sie sich orientieren konnte. Hier gab es nichts außer Kälte und Finsternis.
„Lass mich für dich zurückkehren“, flüsterte eine Seele. „Nein, mich. Mein Leben war viel zu früh vorbei“, meldete sich wieder eine andere. „Aber meines liegt viel länger zurück.“
Sie fühlte sich so hilflos wie nie, ihre Gaben versagten, gleichgültig, wie sehr sie sich anstrengte. Sie rief nach den Elementargeistern und wusste doch, dass es zwecklos war, denn es war ihnen nicht möglich, das Totenreich zu betreten. Die Seelen gierten darauf, für sie in das irdische Leben zurückzukehren. Sie hatte die Gefahr unterschätzt.
„Verschwindet! Ich werde jetzt in meine Welt zurückkehren und ihr könnt mich nicht daran hindern.“
„Zu spät, zu spät“, flüsterten sie.
Vater! Er konnte nicht wollen, dass ihr das geschah.
Kaum hatte sie seinen Namen gedacht, rissen die Seelen sie mit. Amber wusste, dass Gegenwehr zwecklos war und konzentrierte sich auf ihren Körper. Sie musste ihn spüren. Die Seelen verstanden es, sie mit ihrem Geflüster zu verwirren, das ihre Konzentration brach. Immer tiefer versank sie in der eiskalten Finsternis, bis das letzte Flüstern verstummte.
21
A idan wusste nur eins: Ohne Amber konnte und wollte er in dieser Welt nicht mehr sein.
Bliebe er hier, würde ihn alles an sie erinnern. Das Schicksal hatte entschieden, wo sein Platz lag. In der Schattenwelt. In seiner Verzweiflung brüllte er den Schmerz hinaus, rief Ambers Namen Dutzende Male. Was er fühlte, war schlimmer als der Tod und würde die Ewigkeit dauern. Wenn er gehofft hatte, das Schreien würde ihn erleichtern, hatte er sich getäuscht. Er fühlte sich so schlecht wie vorher. Am liebsten wäre er sofort in die Schattenwelt geflohen, um sich so weit wie möglich von ihr und dieser Welt zu distanzieren. Um sie endlich zu vergessen, seine Empfindungen und dass er ein Mensch gewesen war. Das Tor öffnete sich erst in der Beltanenacht. Der Vampir in ihm drängte, endlich die Schwelle in die andere Welt zu übertreten. Doch sein Herz hing noch immer an Amber mit einer solchen Kraft, dass er befürchtete, dem Wahnsinn zu verfallen.
Im Schutz der Dunkelheit lief er zum Schloss zurück und schlich in den Turm. Amber sollte nicht wissen, wo und wie er die Nacht verbrachte. Auch heute würde er sich nicht auf die Jagd begeben, sondern auf Blut verzichten. Er wusste nicht, wie lange er seinem Durst standhalten konnte. Alles, was er wollte, war, sich zu bestrafen, quälen, um nicht nur seelischen Schmerz, sondern auch körperlichen zu spüren.
Als er sich auf die Treppe setzte, glaubte er, die Schreie von Revenants Opfern zu hören und er roch Blut. Eine Reaktion auf den Entzug. Aidan zog die Knie an und schlang die Arme um sie, um dem stetig wachsenden Druck in seinen Eingeweiden entgegenzuwirken. Mit aller Kraft unterdrückte er den Drang, hinaus in die Nacht zu laufen, um sich voller Gier in der Kehle eines Opfers zu verbeißen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit halluzinierte er. Seine Visionen drehten sich um Amber und ihren Tod. Er zitterte durch den Blutentzug, als hätte er Schüttelfrost. Der Blutdurst nahm ein Ausmaß ein, dem er nicht mehr standhalten konnte. So hatte er sich damals nicht nach dem schlimmsten Kater gefühlt.
Was half es ihm, sich weiter zu kasteien. Er brauchte Blut. Sofort.
Mit einem Satz sprang er die Treppe hinab und begab sich auf die Jagd.
Als er am nächsten Morgen zurückkehrte, fiel das Licht durch die bleiverglasten Fenster neben der Tür. Er setzte sich auf die Treppe, als er draußen jemanden vorbeieilen hörte.
Es war ihr Schritt. Er hätte ihn unter Tausenden wiedererkannt. Der Schmerz holte ihn mit voller Wucht wieder ein. Alles in ihm
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