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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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wenn sie nicht erwidert wurde.

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    16 . Kapitel
    Belgrad, November 1456
    E in beißend kalter Wind fegte um Belgrads Mauern, als der ungarische König Ladislaus über die Donau kam, um die Festung in Besitz zu nehmen. Gábor kniff die Augen zusammen, um in der Dämmerung etwas erkennen zu können.
    Seit zwei Stunden warteten sie hier am offenen Westtor, blickten über den Burggraben hinüber auf die kahle Ebene, die immer noch durchfurcht war von den Geschützgräben der Türken. Dort, eine Pfeilschussweite entfernt, lagerten heute jedoch keine Osmanen, sondern die dreitausend Männer des Königs. In dicken Schwaden hing der Nebel über ihrem Zeltlager, das sie am Ufer der Donau aufgeschlagen hatten. Seit einigen Tagen waren sie hier und warteten wie die Belgrader auf den König, der mit dem Schiff von Buda anreiste. Eine stumme Bedrohung waren sie, eine Provokation, die zeigte, dass der König bereit war, Belgrad notfalls auch mit Gewalt einzunehmen. Da die Ratsherren den Truppen den Zugang zur Stadt bisher verweigert hatten, mussten sie jedoch dort in der nassen Kälte ausharren. Gábor fühlte Stolz und Dankbarkeit, dass sich die Belgrader bisher gegenüber den Hunyadis so loyal zeigten. Doch er wusste auch, wie schnell sich das Blatt wenden konnte. Alles hing nun davon ab, ob sich König Ladislaus und Laszlo Hunyadi gütlich einigen konnten.
    Gábor blickte zu Laszlo, der ihre kleine Abordnung anführte. Der junge Mann trug einen blauen Samtumhang, der mit einem schwarzen Raben bestickt war, dem Wappentier seiner Familie. Der Samt wärmte kaum, und seine Finger krampften sich blau vor Kälte um die Zügel. Unruhig tänzelte sein Hengst, der die Sorgen seines Herrn offenbar spürte. Gábor wusste, wie sehr es Laszlo zu schaffen machte, dass er die Stadt aufgeben musste. Sein Vater hatte für Belgrad sein Leben gelassen. Und leider war Laszlo all den politischen Herausforderungen bisher kaum gewachsen. Besorgt behielt Gábor ihn im Auge.
    Durch das Tor sahen sie zu, wie der König und sein Gefolge über einen schwankenden Steg endlich ihr Schiff verließen. Rot leuchtete der Umhang des Königs im Schein der Fackeln, rot wie Blut. Gábor fröstelte. Jetzt erkannte er auch Ulrich Cillis gedrungene Gestalt, die dicht hinter dem König schritt. Jäh aufflammende Abneigung vertrieb alle Kälte aus Gábors Gliedern. Dass sich der höchste Intrigant des Reiches selbst an der Übergabe Belgrads ergötzen wollte, machte die Situation nicht eben einfacher. Durch Lügen hatten der König und er sich die Festung erschlichen, durch die Verleumdung einer Familie, die niemals unehrenhaft gehandelt hatte.
    Der König und sein Gefolge wurden zuerst von den königlichen Truppen in Empfang genommen. Dann stieg der König auf sein geschmücktes Ross. Hörner und Kommandos erklangen, gedämpft durch den Nebel, und die Hörner aus der Festung antworteten ihnen. Die Zugbrücke knirschte unter den Hufen, als der königliche Tross schließlich in die Festung einritt.
    Um Ladislaus’ bleiches Gesicht schmiegten sich hellblonde Locken. Er sah jünger aus als seine siebzehn Jahre, und seine feinen, fast femininen Gesichtszüge waren eine glatte Maske, die keine Gefühle widerspiegelte. Mit seinen dünngliedrigen Händen erinnerte er Gábor an eine Puppe, und als eine solche betrachtete er ihn auch. Der Puppenspieler folgte dichtauf und machte keinen Hehl aus seiner schlechten Laune. Ulrich Cillis Bauch wölbte sich behäbig über einem breiten Gürtel, und man sah seiner gekrümmten Haltung an, wie selten er auf dem Rücken eines Pferdes saß. Gábor konnte nicht anders; er suchte in Cillis verlebtem Gesicht nach einer Ähnlichkeit mit seiner Nichte Veronika. Zu seiner Erleichterung fand er keine.
    König Ladislaus zügelte sein Ross vor Laszlo Hunyadi, und dieser beugte den Kopf vor ihm. Ein Herold trat vor, der ein Samtkissen in den Händen hielt. Darauf lag ein goldener Schlüssel.
    »In tiefer Ehrfurcht übergebe ich den Schlüssel von Belgrad Eurer Majestät.« Holprig bahnten sich die vereinbarten Worte einen Weg aus Laszlos Mund. Alle konnten sehen, wie schwer sie ihm fielen. »Die Festung gehört dem König.«
    Der König berührte den Schlüssel, dann ritt er weiter. Die Standarte des ungarischen Reiches, die der Fahnenträger hinter dem König hertrug, hing in der feuchten Luft so trübselig wie der Rock einer alten Bauersfrau herab.
    Laszlo wendete mit verkniffenem Gesicht sein Pferd, um dem König zu folgen. Gábor richtete

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