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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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Knäuel zusammen, und Veronika vergrub ihre Schnauze in Gábors schwarzem Halsfell, sog seinen vertrauten Duft in sich auf, während sie Miklos an ihrer anderen Seite spürte. Ihre Wärme strömte auf sie über, wärmte nicht nur ihren Körper, sondern auch ihr Herz, das zum ersten Mal seit langem zur Ruhe kam.
Rudel,
flüsterte ihre Wölfin, und sie verließ sich auf die scharfen Sinne der beiden, die jeden Eindringling spüren würden, während sie in tiefem Schlaf versank.
    Szolnok, März 1457
    Es war bereits dunkel, als sie an Jiris Tür klopften. Sein Gasthaus befand sich am Ende einer Gasse, ein zweistöckiges Gebäude mit einem Hof, das sich breit und behäbig ausstreckte wie ein schlafender Riese. Nicht weit entfernt hörten sie den Fluss Zagyva durch ein Mühlrad rauschen. In Szolnok mündete die Zagyva in die Theiß, und einer der Handelswege von Buda nach Siebenbürgen führte hier vorbei. Trotzdem war der Ort nicht zu Reichtum gekommen, er blieb ein einfacher Marktflecken, von Palisaden umzäunt, mit einer Kirche und einer Steinfestung, welche die Bewohner vor Plünderern schützte.
    Veronika strich sich über das zerfledderte Kleid. In einem Wäldchen vor der Stadt hatten sie sich in ihre menschlichen Gestalten zurückverwandelt und waren durch eine schmale Pforte hinter dem Friedhof in die Stadt geschlichen.
    Jetzt standen sie hier, auf der Flucht und ohne Pferde und Gepäck. Während Veronika sich fragte, wie dieser Jiri wohl auf ihren Besuch reagieren mochte, behielt sie Miklos im Blick, der aufgeregt wie ein junger Hund vor der Schwelle hin- und hertapste. Auch Gábor musterte ihn belustigt. Als ihre Blicke sich trafen, herrschte für einen Wimpernschlag stilles Verständnis zwischen ihnen. Doch sogleich wandte er sich wieder ab. Die Tür öffnete sich und eine Magd lugte heraus.
    »Wir wollen zu Jiri«, sagte Miklos lauter als nötig und klopfte ungeduldig mit den Fingerknöcheln gegen den Türrahmen.
    Die Magd riss die Augen auf und starrte in sein vernarbtes Gesicht, als wäre er ein Straßenräuber. Eilig huschte sie wieder hinein. Es dauerte nicht lange, da kam ein Mann heraus, der Veronika im ersten Moment an Michael Szilagyi erinnerte. Er war so groß, dass er sich unter dem Türrahmen bücken musste, und blondes kurzes Haar stand von seinem Kopf in alle Richtungen ab. Seinem Gesicht fehlten allerdings die Furchen, die Michaels Züge zeichneten, und die grimmige Miene, die er aufgesetzt hatte, schien für ihn ungewohnt zu sein. »Wer ist da?«, polterte er.
    In der Hand trug er eine Öllampe, die er im nächsten Moment in die Gesichter seiner ungebetenen Besucher hielt. Als sein Blick auf Miklos fiel, hellte sich seine finstere Miene augenblicklich auf.
    »Miklos«, rief er, und ehe sich Veronika versah, hielt sie die Lampe, während Jiri seinen Neffen mit mächtigen Pranken umfing. »Wo kommst du denn her? Meine Güte, du schaffst es immer, mich zu überraschen!«
    Gleich würden die Leute aus den Fenstern schauen, um zu sehen, was die Ursache für den Lärm war. Veronika zog unwillkürlich den Kopf ein.
    Gábor legte Jiri die Hand auf den Arm. »Wir wollen kein Aufsehen erregen«, sagte er leise. »Dürfen wir eintreten?«
    Jiri führte sie in die Küche, wo ein behagliches Feuer in der offenen Herdstelle knisterte. Er scheuchte seine Familie und die Bediensteten hinaus, und widerspruchslos gehorchten sie ihm. Einen Arm hielt er um die Schultern eines strahlenden Miklos gelegt, der, obwohl er nicht klein war, neben ihm fast verschwand. Mit gerunzelter Stirn hörte er die Geschichte ihrer Flucht an, die Gábor ihm in leicht abgeänderter Form erzählte.
    »Uns bleibt nicht mehr als eine Verschnaufpause, denn die Soldaten werden sicher bald auch in Szolnok nach uns suchen«, schloss er. »Morgen kommt unser Mann mit den Pferden, und wir werden wieder verschwinden. Bis dahin bitte ich um Eure Gastfreundschaft.«
    »Wie habt ihr es nur geschafft, zu Fuß so schnell hierherzukommen«, meinte Jiri. Er schüttelte den Kopf. »Ihr müsst doch halb tot vor Erschöpfung sein. Natürlich könnt ihr hierbleiben.«
    Erleichterung durchfuhr Veronika, und daran, wie gut sich das anfühlte, merkte sie, wie angespannt sie gewesen war.
    Jiri sah es ihr wohl an, denn er lächelte. »Ihr habt Glück, dass ich keine anderen Gäste habe. Der Wochenmarkt war gestern, und heute Morgen sind alle mit verkaterten Schädeln abgereist. So kann ich Euch ein eigenes Zimmer geben, Frau Veronika, wo Ihr Euch ausschlafen

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