Mondlaeufer
Wüstenpferde über gefrorene Schneefelder; zwei Nächte lang bibberten sie unter ihren Decken, die weder für solche Temperaturen noch für solche Höhen gedacht waren.
»Genug?«, fragte Maarken am dritten Morgen hoffnungsvoll. Pol hatte eine Decke um sich gezogen und trug jeden Fetzen Kleidung, den er dabeihatte. Er nickte nachdrücklich. Es war herrlich gewesen, alle mit dem Schnee zu überstäuben, und die kalte Luft war einfach atemberaubend, doch jetzt sehnte er sich vor allem nach Wärme.
Als sie wieder tiefer kamen, sahen sie viele blau umschleierte Bergkämme. Bizarre Granitformationen wechselten sich mit Hügeln mit dichten Kiefernwäldern ab. Auf den seltsamen, glatten felsigen Hochebenen von über einer halben Länge mit ihren gewaltigen Felsen hörte man weithin das Hufgeklapper ihrer Pferde. Sie fanden sogar einige Drachenhöhlen, die vor langer Zeit verlassen worden waren, und erforschten sie einen Tag lang. Erstaunlicherweise gab es auch hier Spuren menschlicher Besiedlung. Maarken entdeckte Feuerlöcher und die Fundamente eines Ortes von der Größe eines Dorfes. Auch er war schon lange verlassen. Interessanter für Rohan und Pol waren die Reste eines einfachen Schmelzofens. Sie tauschten fragende Blicke aus und liefen sofort zurück zu den Höhlen. Doch die meisten Wände waren eingestürzt, und in einer der wenigen intakten Höhlen stießen sie auf einen äußerst unfreundlichen Berglöwen, der gar nicht erfreut über diese Störung seines Mittagsschläfchens war. Vater und Sohn zogen sich hastig zurück.
Die Herrenhäuser und Burgen unterhalb der Schneegrenze begannen sie systematischer als zu Beginn ihrer Reise aufzusuchen. Die Nachricht von ihrem Kommen war ihnen vorausgeeilt, und man empfing sie mit beträchtlich größerem Aufwand als zuvor. Ihre erste Station machten sie in einer kleinen Burg namens Rezeld, wo sich Lord Morlen und seine Frau, Lady Abinor, seit dem Frühjahr auf ihren Besuch vorbereitet hatten. Innerlich wand sich Rohan bei dem überschwänglichen, begeisterten Willkommen, das man ihnen bereitete, doch er stimmte Pols philosophischer Beobachtung zu, dass Rezeld sicher noch keinen Prinzen in seinen Mauern beherbergt hatte – schon gar nicht zwei – und dass es immer ein Fehler war, nicht hin und wieder jeden Athri des eigenen Reiches persönlich zu besuchen.
»Man kann eine Burg oder ein Gut am besten beurteilen, wenn man selber einen Besuch macht«, überlegte er. »Normalerweise haben sie den Ort dann vorzeigbar hergerichtet. Bis auf das, wofür sie Geld haben wollen. Es kommt darauf an, mehr zu sehen als nur die Oberfläche, damit man wirklich weiß, was los ist.«
Sie saßen in dem großen, schönen Zimmer von Lady Abinor, das diese für ihre Gäste geräumt hatte. Fadenscheinige Wandbehänge und abgetretene Teppiche belebten den Raum und machten die Kälte der Mauern erträglicher. Alles war nur notdürftig geflickt, selbst die Bettwäsche. Die Einrichtung war einfach und spärlich, das Fensterglas musste erneuert werden – doch der Wein aus Kiefernharz war ausgezeichnet. Rohan goss sich noch einen Becher ein, setzte sich bequem hin und sah seinen Sohn nachdenklich an.
Pol sah sich um, denn er hatte die letzte Bemerkung seines Vaters ganz richtig als Aufforderung verstanden, Rezeld und seine Bewohner einzuschätzen. Ihre Ankunft am selben Morgen war das größte Ereignis der letzten zwanzig Jahre gewesen; jeder auf dem Gut, von der Familie des Athri bis hinunter zum kleinsten Küchenjungen, hatte frisch geschrubbt und strahlend bereitgestanden. Die Söhne des Hauses, beide einige Winter jünger als Pol, hatten während des Essens die Aufgaben von Knappen übernommen und sich in Anbetracht dessen, dass sie nie auf einer größeren Burg geschult worden waren, gut gehalten. Lord Morlens sechzehnjährige Tochter Avaly hatte den besten Seidenschleier ihrer Mutter und klappernden Schmuck aus Holz und Elchhorn getragen. Doch für Pol war Rezeld eindeutig ein kleineres Gut ohne besonderen Reichtum oder Bedeutung.
»Sie haben wirklich ihr Bestes für uns herausgeholt«, sagte er mit einer Geste zu den Läufern und Wandbehängen. »Die Kette von Lady Avaly war nur geschnitzt und völlig wertlos. Und was ich sonst gesehen habe, so halten sie doch nicht einmal Kerzen, nur stinkende, alte Fackeln. Ich glaube nicht, dass sie Armut vortäuschen, um mehr Geld von uns zu bekommen, Vater. Und sie scheinen sich wirklich zu freuen, dass wir hier sind.«
»Das stimmt.« Rohan
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