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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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uns vielleicht auch schlauer gemacht. Manchmal vermisse ich geradezu die Spannung von meinem ersten Rialla als Prinz.«
    Maeta schnaubte. »Nichts gegen Eure Schläue, wenn es wahr ist, was ich über Firon gehört habe.«
    »Und was habt Ihr gehört?«
    »Dass all das hier« – sie wies wieder auf die Felder – »das meiste von dem da einschließen wird.« Ihr narbiger Finger zeigte nach Nordwesten, wo Firon lag.
    »Schon möglich«, gab Rohan zu.
    Maarken lachte, als er sich in den Sattel schwang. »Lass das ja nicht meine Mutter hören! Der große Wandteppich wird nämlich bereits neu gewebt – sie will Sionell daran das Sticken beibringen. Wenn du deine Meinung änderst, wird sie deinen Kopf auf einem Speer aufspießen.«
    »Tante Tobin kann sticken?« Pol war verblüfft. »Sie sieht aber nicht so aus, als ob sie so etwas mag.«
    »Tut sie auch nicht«, lachte Maarken. »Sie sagt, es tauge nur dazu, etwas in der Hand zu haben, wenn man eigentlich jemanden erwürgen möchte.«
    »Erwürgen ist aber wirklich nicht ihre Art«, stellte Rohan fest. »Messer, Pfeile und Schwerter, als wir älter wurden, das ist eher ihr Stil.«
    »Stimmt das mit dem Ehevertrag mit Onkel Chay?«, fragte Pol beim Aufsitzen.
    »Keine Messer im Schlafgemach!« Sein Vater lachte. »O ja, das stimmt wirklich. Chay bestand darauf.«
    »Was hast du mit Mutter vereinbart?«, neckte Pol.
    Maeta antwortete ihm. »Lichtläufer sind viel zu fein, um mit Messern um sich zu werfen. Ihr Vertrag besagt, dass sie im Schlafzimmer nur jenes Feuer entfachen darf, das die Laken zum Glühen bringt. Und so seid Ihr entstanden, mein Junge.«
    An diesem Tag – dem fünfundzwanzigsten ihrer Reise – begann ihr Aufstieg in den Großen Veresch. Bergkette hinter Bergkette, und alle erhoben sich fast bis zu den Wolken, die höchsten Gipfel noch im Hochsommer schneegekrönt. Dazwischen lagen blau-violette Täler, aus denen bei richtigem Sonnenstand dünne Wasserläufe silbern zu ihnen emporglitzerten. Die Kiefern waren mehr als zehn Mal so groß wie ein Mann und hatten buschige Nadeln, die so lang waren wie Pols Arm, Zapfen mit süßen Samen und honigsüßes Harz. Aufgeschreckte Hirschrudel hoben die weißen Geweihe, ehe sie eine Deckung suchten. Das Wasser der Flüsse und Seen war das Süßeste, das sie je getrunken hatten – als stamme es direkt aus den Wolken und hätte nie den Boden berührt. Die Zahl und Vielfalt der Vögel überraschte sie. Tag und Nacht schien die Welt voller Flügelschläge, Lieder und Jagdrufe zu sein, ganz anders als in der Stille der Wüste. Manchmal verbrachten sie ganze Vormittage damit, Vögel zu beobachten, die auf einem See dümpelten, nach Fischen tauchten oder im Sturzflug auf eine Wiese voller Beute herunterstießen. Und die Blumen! Enge Waldpfade führten sie plötzlich auf Bergwiesen voller blauer, roter, orange- und rosafarbener, purpurner und gelber Blüten. Die ungeheure Farbenpracht konnte einem Faradhi die Sinne betäuben.
    Für Wüstenmenschen, die nur die raue Schönheit des weiten Sandes kannten, wo nichts wuchs und nur wenige Vögel und Tiere sich zu Hause fühlten, war der Veresch beinahe beängstigend. Die Niederungen mit ihren Zäunen und Äckern waren dabei leichter zu begreifen als diese Berge, wo alles noch war wie zu Anbeginn der Zeiten. Menschen verloren hier an Bedeutung, und die Arbeit ihrer Hände konnte der Kraft des Waldes niemals auch nur annähernd gleichkommen. In der Wüste scharten sich die Menschen zusammen, um der Härte ihres Landes besser zu widerstehen; hier lebte man in kleinen Siedlungen von höchstens dreißig Menschen, trieb Schaf- und Ziegenherden durch das Hochland und baute tief in den Wäldern einsame Hütten. Aber so fremd die Lebensgewohnheiten auch waren, mit der Zeit wurden Rohan auch die Gemeinsamkeiten beider Völker deutlich. Beide hatten akzeptiert, dass sie das Land nicht verändern konnten. Die stille Macht der Berge und der Wüste war stärker als Zaun oder Pflug. Die Menschen wussten, was ihre Heimat hergeben würde und was nicht.
    Pol war hartnäckig, was den Schnee anging. Er wollte ihn nicht nur sehen, er wollte ihn anfassen und sich überzeugen, dass er echt war. Rohan, der insgeheim die Neugier seines Sohnes teilte, ließ sich von einem verwunderten Schäfer den Weg zeigen. Der Alte hielt sie offensichtlich alle für etwas verrückt. Wozu sollte jemand Schnee suchen, wenn der Winter ihn schon früh genug bringen würde? Zwei Tage lang lockten sie ihre widerstrebenden

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