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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Menschen zu herrschen – nicht zu deren Bestem, sondern zu deinem. Auch dafür wirst du einige Beispiele sehen. Sie mögen mich nicht besonders, weil ich ihnen nicht ihren Spaß lasse. Und dann gibt es Leute wie mich, die lieber ihr Köpfchen benutzen als ihr Schwert. Reine Bequemlichkeit«, meinte er beiläufig. »Ich ziehe nicht gern in den Krieg. Es bringt so viele Unannehmlichkeiten mit sich, und ich verlasse höchst ungern mein Zuhause …«
    »Und Mutter«, ergänzte Pol frech.
    »Das versteht sich von selbst.«
    Mit breit ausgestreckten Beinen und herunterbaumelnden Armen lehnte sich der Junge im Stuhl zurück. »Ich glaube, ich werde so ein Prinz wie du«, beschloss er grinsend, »falls meine Frau hübsch genug ist!«
    Wenn Rohan eine andere Antwort als Gelächter darauf parat gehabt hatte, so wurde diese durch ein leises Kratzen an der Tür unterbrochen. Pol setzte sich rasch auf, als sein Vater die Erlaubnis zum Eintreten gab. Ein junges Mädchen in hausgewebtem braunem Kleid kam mit einem leeren Tablett herein.
    »Nur das Geschirr abräumen, hohe Herren, bitte entschuldigt mich. Es dauert nur einen Augenblick.«
    »Natürlich«, sagte Rohan und wies auf den Tisch, wo der Weinkrug stand. Er hielt ihr seinen Becher zum Mitnehmen hin.
    Pol war jetzt darauf vorbereitet, auch Kleinigkeiten zu registrieren und seine Schlüsse zu ziehen, und sah das Mädchen genau an. Aus den im Nacken fest verknoteten Zöpfen hatten sich schwarze Strähnen gelöst, die es mit einer auffällig gepflegten Hand zurückstrich. Der Schmutz unter ihren Fingernägeln passte nicht dazu und verwunderte ihn. Als sie den Krug und die Becher auf ihr Tablett stellte, begegnete sie seinem neugierigen Blick voller Ruhe. Ihre Augen hatten eine seltsame, graugrüne Farbe und machten sie älter als die vielleicht achtzehn Winter, die sie haben mochte. Er wurde rot, weil sie sein Anstarren bemerkt hatte, und stellte sich neben seinen Vater. Das Mädchen machte einen schiefen Knicks, ehe es nach draußen ging, doch irgendwie schien diese Ungeschicklichkeit fehl am Platze. Sie passte so wenig zu ihr wie das einfache braune Kleid und der dunkelgrüne ausgefranste Schal. Ihre Augen trafen sich wieder, ehe sie hinausging, und es stand Gelächter darin.
    »Vater …«
    Rohan hielt mahnend einen Finger hoch. Pol horchte. Er wusste nicht, was er hätte hören sollen, doch dann hatte er es. Das Schloss war nicht zugefallen. Er dachte kurz nach und meinte dann: »So viel Wein – wo ist nur der nächste Abtritt?«
    Rohan nickte zustimmend und anerkennend. »Links, glaube ich, am Ende des Gangs.«
    Weder auf dem Hinweg noch auf dem Rückweg sah Pol jemanden. Er gab acht, dass er die Tür hinter sich fest schloss, als er zurückkam. Sein Vater grinste ihn an.
    »Sehr gut«, lobte Rohan. »Hast du jemanden gesehen?«
    Pol schüttelte den Kopf. »Glaubst du wirklich, sie wollte horchen?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht hat sie die Tür auch aus Versehen offen gelassen. Aber ich glaube, ich werde Lord Morlen doch noch genauer beobachten. Im Augenblick will ich allerdings nur noch die Innenseiten meiner Augenlider betrachten.« Er drehte sich zu dem Bett in der Ecke um. »Weißt du eigentlich, dass ich seit Ewigkeiten nur noch neben deiner Mutter schlafe? Ich hoffe, du schnarchst nicht.«
    »Schnarchen! Mutter sagt, dass bei dir manchmal die Fenster wackeln!«
    »Eine gemeine und beleidigende Lüge, für die sie teuer bezahlen wird, wenn sie das nächste Mal alle Decken auf den Boden schmeißt.«
    Pol zog sich aus und schlüpfte ins Bett. Sein Kopf war ein wenig schwer: nicht von den Enthüllungen seines Vaters über Rezeld und über die Aufgaben eines Prinzen, sondern von dem starken Wein. Er war dankbar, dass man ihm seinen Becher nicht abgeschlagen hatte. Einige Becher sogar, so viele, dass sein Gang wirklich notwendig gewesen war. Sein Trick war gar keine reine Finte gewesen. Jetzt, wo die Fackeln gelöscht waren und nur das weiche Sternenlicht durch die Fenster fiel, denn es war eine der seltenen mondlosen Nächte, kam es ihm vor, als würde sich sein Gehirn im Schädel drehen.
    Nach einer geraumen Weile in nicht gerade großer Stille drehte er sich in der Dunkelheit auf die Seite und sah das schlafende Gesicht seines Vaters anklagend an. »Und wie du schnarchst!«, flüsterte er und stand auf.
    Nichts regte sich unten in dem kleinen Hof. Er spähte durch eine zerbrochene Fensterscheibe und überlegte, was Lord Morlen wohl außer Wandbehängen und Kerzen

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