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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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sicher sind, dann denkt noch mal nach!«
    »Klappe, Kiele!«
    »Wie könnt Ihr es wagen, mir Befehle zu erteilen! Und welcher Teufel hat Euch geritten, dass Ihr heute in die Stadt gekommen seid? So etwas ungeheuer Dämliches!«
    »Ich langweile mich zu Tode! Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wie lange Ihr mich hier draußen festhaltet! Und es ist überhaupt nichts passiert – wer sollte mich denn erkennen?«
    »Genau darum geht es!«
    »Wenn mein alter Gefängniswärter nicht einen trinken gewesen wäre, hätte es überhaupt niemand gemerkt. Aber nein, halb besoffen wie er war, musste er natürlich unbedingt zu Euch rennen und quatschen!«
    Kleve hörte, wie etwas – vielleicht ein Stuhl – auf den Boden knallte. Kiele stieß einen leisen Schrei aus und fluchte dann. Der Mann lachte.
    »Beruhigt Euch. Ihr seid gekommen, um mich zu tadeln, und ich habe kein Interesse daran. Fahren wir doch lieber mit dem Ankleiden fort.«
    »Ihr werdet lernen, Euren Mund zu halten und genau das zu tun, was ich Euch sage, oder Ihr werdet uns alle zugrunde richten, Masul!«
    Als er jetzt antwortete, war seine Stimme wild und böse. »Ich habe es satt, eingesperrt zu sein, und ich habe es satt, dass Ihr mir ständig sagt, was ich zu tun und zu lassen habe, und ganz besonders habe ich Eure Zweifel satt! Wann gebt Ihr endlich zu, dass ich der bin, für den ich mich ausgebe, Schwesterherz ?«
    Kleve reckte sich, damit er durch den kleinen Spalt in den schwarzen Vorhängen sehen konnte. Seine Muskeln protestierten schmerzhaft gegen die Verrenkung, die er machen musste, damit der blühende Busch neben ihm nicht raschelte, doch er wurde mit einem Blick auf Masuls Kopf belohnt, der sich durch den Halsausschnitt einer dunkellila Samttunika quälte.
    Vor sehr langer Zeit war Kleve einmal für Andrade nach Einar gereist. Auf halben Weg wäre er beinahe von einer Gruppe Adliger über den Haufen geritten worden, die auf der Jagd waren. Es hatte keine Entschuldigungen gegeben; stattdessen hatte ihr junger Anführer ihn sogar angewiesen, seinen dreckigen Lichtläufer-Leib aus dem Weg zu schaffen, sonst würde er es bedauern. Lachend waren sie weitergeritten. Es hatte Kleve besondere Freude bereitet, ihnen heimlich zu folgen und einen kapitalen Hirsch zu verjagen, indem er ihm ein wohldosiertes Windchen schickte. Bei seiner Rückkehr an die Schule der Göttin hatte er Andrade mit der Geschichte unterhalten. Ihre Befriedigung war noch größer geworden, als er das Gesicht des Anführers im Feuer beschworen hatte. Sie hatte ihn sofort erkannt.
    Das Gesicht, das er jetzt sah – grüne Augen, hohe Wangenknochen, sinnlich, von widerspenstiger Schönheit – war ohne den Bart sicher fast das lebende Ebenbild dieses arroganten jungen Herrn, des Hoheprinzen Roelstra.
    Erschüttert rutschte er an der Wand hinunter und saß im Gras. Also waren die Gerüchte wahr und sein Verdacht gerechtfertigt. Der angebliche Kronprinz existierte, und Kiele deckte ihn. Wahrscheinlich hatte sie ihm die Gewohnheiten und Vorlieben ihres Vaters eingetrichtert, um ihn für das Rialla vorzubereiten. Und Chiana war in der Residenz in Waes. Kleve verstand das alles auf einmal sehr gut. Kieles Spaß an Chianas Demütigung würde für sie das Salz in der Suppe sein. Selbst der Herr der Stürme konnte keinen solchen Aufruhr verursachen, wie Masul es mit Kieles Hilfe tun würde.
    Noch immer hörte er Stimmen im Haus, doch er gab nicht mehr auf sie acht. Masul probierte ein halbes Dutzend Kleidungsstücke an, die ihn Roelstra so ähnlich wie möglich machen sollten. Kleve legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und stellte sich die beiden Gesichter nebeneinander vor. Zweifellos bestand eine Ähnlichkeit. Aber war er wirklich Roelstras Sohn? Und wenn – was dann? Hatte er ein Recht auf das Reich seines Vaters? Im Prinzip schon, dachte Kleve. Doch Rohan hatte Roelstra schon vor Jahren besiegt und die Prinzenmark mit dem Recht des Siegers für sich beansprucht. Aber das alles würde nichts helfen, denn selbst wenn Masul nicht der war, für den er sich ausgab, würden viele Prinzen ihm trotzdem gern glauben, und sei es nur, um Rohan Schwierigkeiten zu machen.
    Politische Intrigen waren ihm zu fremd, sagte sich Kleve. Er würde diese umwerfende Nachricht an Andrade weitergeben, und die würde die Entscheidungen treffen. Darin war sie sehr gut. Mühsam kam er auf die Beine, denn seine Knochen schmerzten noch von der Feuchtigkeit des gestrigen Regens. Er brauchte Stille,

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