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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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ein sicheres Plätzchen und Mondlicht und kroch deshalb vom Haus fort. Er brauchte jetzt nichts mehr zu sehen oder zu hören. Kleve hielt auf die Bäume zu, wo er Riyan verlassen hatte.
    Etwas warnte ihn, ein unterdrücktes, kaum wahrnehmbares Flüstern, direkt bevor er die Stimme hörte.
    »Ihr hattet also wirklich recht, Kiele. Wir sind tatsächlich belauscht worden.«
    Eine große, harte Hand schloss sich um Kleves Handgelenk, und die Finger gruben sich bis zu seinen Knochen ein. Der Lichtläufer wand sich, fluchte und versuchte, seine Stute zu erreichen, die dort angebunden war. Masul lachte nur, als Kleve nach den Zügeln griff, einen Fuß in den Steigbügel setzte und sich hochschwang. Masuls Faust, die ihm in die Nierengegend fuhr, ließ Kleve vor Schmerz zusammenfahren. Er verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden.
    »Ich sagte doch, ich habe etwas gehört!«, rief Kiele mit schriller Stimme. »Masul, was sollen wir bloß mit ihm machen?«
    »Erst mal werden wir sehen, was er weiß.«
    Kleve wusste, was das hieß. Er sah zu, dass er auf die Beine kam, hielt sich am Sattel fest und hob eine Hand. »Ihr werdet Andrade Rede und Antwort stehen! Ich bin Faradhi .«
    In der Dunkelheit wob er eine flackernde Flamme aus der Kraft der Verzweiflung, denn in ihrem Licht sah er seinen eigenen Tod in Masuls grünen Augen. Der junge Mann lachte ihn aus. Es war ein tiefes, weiches Lachen, das Kleves Blut gerinnen ließ.
    »Ich wollte schon immer mal einem begegnen.«
    Kleve kämpfte kurz gegen seinen alten Schwur an, nicht mit seinen Gaben zu töten. Selbsterhaltungstrieb und der dringende Wunsch, Andrade seine Informationen zu übermitteln fochten gegen seine Ausbildung, seine Ideale; seine Berufung und seine Moral. Er wandte sein Gesicht dem Mondlicht zu und taumelte gegen die Flanke des Pferdes, als Masul ihm das Knie in den Unterleib rammte. Das Feuer erlosch, und instinktiv wob er fieberhaft an anderen Fäden. Mit betäubender Kraft durchrauschte ihn die Macht, als er in höchster Not den Strang vollendete. Der eiserne Griff verrenkte seinen Arm. In Mondlicht versponnen fiel er auf die Knie. Während er verzweifelt die Fäden zu ordnen versuchte, kämpfte er gegen Masuls Griff an und machte eine verzweifelte Anstrengung, um das Mondlicht in ein Gewebe zu zwingen, das die Schule der Göttin erreichen konnte.
    Er spürte eisige Kälte an seinem linken, kleinen Finger, die rasch einem tobenden Schmerz wich.
    »Finger für Finger«, sagte Masul.
    In seiner Jugend hatte er zu seiner Ertüchtigung ganz gern in den Bergen mit Räubern gekämpft, denen ihre Beute wichtiger war als ein Lichtläufer. Er war von Messern und Schwertern verwundet worden. Doch als Masuls Stahlklinge seinen Finger abhackte, war es, als würde sein ganzer Körper aufgeschnitten. Jeder Nerv schmerzte. Die Mondlichtfäden verdichteten sich zu silbernem Glas und zersprangen; die Scherben zerschnitten seinen Geist. Er schrie, doch der Schrei wurde zu Farben, die sich ebenfalls als Messer in seinen Kopf und sein Fleisch bohrten. Sein Daumen wurde von der rechten Hand abgetrennt. Wieder schrie er.
    »Tötet ihn nicht! Wir müssen herausfinden, was er weiß und ob er Andrade informiert hat!«
    »Es sind nur zwei Finger. Daran stirbt man nicht. Was für ein Feigling – hört nur, wie er kreischt!«
    Kleve konnte die grausame Qual nicht besiegen, die ihn von innen durchwühlte. Ein weiterer Finger fiel auf die blutgetränkte Erde. Er starb, noch ehe sie ihre erste Frage stellen konnten. Er starb nicht am Blutverlust oder am Schock, sondern an dem Stahl, der ihn wiederholt verletzt hatte, während er versuchte, seine Faradhi -Künste einzusetzen.
    Gerade als Segev die Sternenrolle auf dem Regal gefunden hatte, hörte er Stimmen in der Bibliothek. Mit ausgestreckten Fingern erstarrte er kurz vor dem begehrten Schatz. Mit einem kurzen Gedanken löschte er die kleine Flamme, die er zum Sehen beschworen hatte. Er sagte sich, er würde einfach abwarten, ruhig bleiben und daran denken, wie nahe er seinem Ziel bereits war. Wer auch gekommen war, er würde bald wieder fort sein. Er hatte zuvor schon hinter ein paar Regalen gewartet, bis Andry endlich ging. Er konnte auch jetzt wieder warten.
    Doch er hörte Andrys Stimme. »Wenn du Wilmods Essays langweilig findest, solltest du mal Dorin lesen. Wilmod kann wenigstens argumentieren. Dorin ist einfach in jeder Hinsicht grässlich.«
    Sie waren im Nachbarraum der kleinen Kammer, in der neben anderen wichtigen

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