Mondlaeufer
will?«
»Ich schätze schon. In der Linie von Ossetia ist das nichts Ungewöhnliches. Und das ist ein weiterer Grund, warum ich nicht will, dass er beide Prinzenreiche bekommt. Aber unabhängig davon schätzt er die Gabe, die Pol da geerbt hat, ohnehin nicht besonders. Sieh mich nicht so an, du weißt doch selbst recht gut, dass es noch andere gibt, die so denken. Pol wird Hoheprinz und Lichtläufer sein. Diese Kombination macht viele Leute nervös.«
Sioned schleuderte die Steine in den Fluss und sprang auf. »Beim Herrn der Stürme! Hört das denn erst auf, wenn auch alle anderen Prinzen Faradh’im sind?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er offen. »Dabei ist es auch hier so. Wenn es Tilal wäre, würde ich mir keine Sorgen machen. Er hat lange bei euch gelebt. In ihm steckt kein Neid, kein Trotz und keine Furcht vor dem, was ihr seid. Und was Pol sein wird.« Davvi seufzte tief und schüttelte den Kopf. »Sioned, manchmal frage ich mich, was unsere Eltern wohl zu unserem Leben gesagt hätten.«
Sioned legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du erinnerst dich besser an sie als ich. Was hätten sie denn gesagt?«
Er zuckte unsicher die Achseln. »Ich glaube, dann hätte ich Wisla vielleicht nie geheiratet, und du wärst auch nie an die Schule der Göttin geschickt worden.«
»Und ich hätte Rohan nicht geheiratet, und du wärst nicht Prinz von Syr geworden. Sei nicht kindisch, Davvi.«
»Du warst so klein«, murmelte er und vermied es, sie anzusehen. »Ich wusste nicht, was ich mit dir machen sollte. Wie ich dich großziehen sollte. Und Wisla …«
»Sie wollte Herrin in ihrem neuen Heim sein. Und ich war nicht gerade ein einfaches Kind«, fügte Sioned trocken hinzu. »Es gibt nichts zu verzeihen, mein Lieber. Das ist der Lauf der Dinge. Wir treffen unsere Wahl und machen dann das Beste aus dem, was dabei herauskommt. Nicht besonders originell, ich weiß, aber das ist nun mal die Wahrheit.«
Endlich lächelte er ein wenig. »Ja, aber wir können die Dinge doch schon ein bisschen anstoßen.«
Sioned lächelte zurück. »Dann mach das mal mit Gemma, damit sie schnell zu Chales Zelten rüberkommt. Als seine Erbin wird der Prinz sie sicher gerne sehen wollen.«
»Es wäre wirklich Verschwendung, wenn du etwas anderes als die Höchste Prinzessin wärst.«
»Sag ich meinem Mann andauernd.«
»Ich erinnere ihn daran, wenn wir uns das nächste Mal treffen.« Sie machten sich auf den Rückweg ins Lager: Nach wenigen Schritten nahm er ihren Arm. Neben einer Weide blieben sie stehen. »Was weißt du über diesen Sohn von Roelstra?«
»Nicht viel«, gab sie zu, während sie ihre Finger durch die schlanken, grünen Blätter gleiten ließ. »Er wird sicher hier auftauchen und versuchen, seinen Anspruch durchzusetzen. Leider herrschte in der Nacht von Chianas Geburt ein entsetzliches Chaos.«
»Ich wette, sie rauft sich schon die Haare.«
»Wenn es weiter nichts ist, können wir von Glück sagen. Als wir ankamen, haben wir in der Residenz von Waes zu Abend gegessen, und sie scharwenzelte ständig um Chay herum. Offensichtlich wollte sie ihn dazu bringen, sie zu unterstützen. Als wenn er diesem Mann Glauben schenken würde!« Sioned kicherte plötzlich. »Ich hatte Angst, Tobin würde jeden Moment platzen.«
»Vor Eifersucht?«, fragte Davvi ungläubig.
»Weil sie dem Mädchen nicht offen ins Gesicht lachen wollte! Aber Chianas Position ist sicher verständlich. Wenn dieser sogenannte Prinz überzeugend ist, gehen alle ihre Ambitionen den Bach hinunter. Sie ist außer sich. Aber ihr Benehmen jetzt sät Zweifel, wo es bisher keine gab.« Mit ärgerlichem Schulterzucken fuhr sie fort: »Wenn Chiana ein bisschen Verstand hätte, würde sie sich verhalten, als sei das alles unter ihrer Würde. Aber nein, sie muss überall um Hilfe betteln und dabei ihr Lächeln und ihren Körper einsetzen.«
»Wie gut, dass Pol so jung ist«, sagte Davvi grinsend.
»Ja, aber sie wird es natürlich bei Rohan versuchen. Sie denkt kein bisschen logisch, Davvi! Warum sollte Rohan diesem Mann überhaupt Glauben schenken?«
»Vielleicht hat sie eigene Ziele.«
»Mmm. Wie Ianthe bei dem Rialla von 698. Sie hat damals versucht, Rohan zu verführen, wie du sicher weißt.«
»Wusste ich nicht. Ich sehe auch keinen Erfolg.«
Sioned schob eine fünfzehn Jahre alte Erinnerung beiseite: Rohan, der verletzt war und voller Dranath, auf Feruche. Das Ergebnis dieser Nacht war Pol.
Zu ihrem Bruder sagte sie nur: »Natürlich nicht. Aber sie und
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