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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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regieren, eine wichtige Bastion gegen die Merida und die Cunaxaner. Bei seiner Ausbildung wurde das bereits berücksichtigt.
    Er verbeugte sich, strich sich das stets widerspenstige Haar aus der Stirn und sagte: »Verzeiht mir, Herr, Herrin. Aber jemand hat das hier draußen am Pavillon hinterlassen. Alles, was ich von ihm sah, war eine einfache, dunkle Tunika, keine Farben und kein Emblem, das ich erkennen konnte.«
    Rohan nahm einen Beutel aus grober, brauner Wolle entgegen und knotete ihn auf. »Aha«, sagte er leise, als er ein schönes, gläsernes Messer herausholte. »Merida.«
    Tallain erstarrte, doch es war Sioned, die sich als Erste äußerte: »Der Tod, der eigentlich für die Wüste bestimmt ist?«
    »Anzunehmen. Noch eine Warnung – es wird immer aufschlussreicher«, wiederholte er. »Danke, Tallain. Und keine Sorge. Das hier ist wirklich keinem von uns zugedacht.«
    »Ich lasse trotzdem die Wachen verdoppeln, Herr.«
    »Nein. Das wirst du nicht tun.«
    Tallain verbeugte sich mit unglücklicher Miene. »Wie Ihr wünscht, Herr.«
    Als der junge Mann gegangen war, fuhr Rohan mit einem Finger über die scharfe Klinge. »Ich habe zu viele davon gesehen, und sie waren oft genug tatsächlich für mich gedacht.«
    »Was glaubst du, was sie damit meinen?«
    »Sie wollen mich wissen lassen, dass sie hier sind. Sie wollen, dass ich um Pol Angst habe, nicht um diesen Vater eines Sohnes, wegen dem uns der gute Bäcker gewarnt hat.« Er sah zu ihr hoch. »Sioned, wenn ich wirklich ein Held wäre, wie du mich letzte Nacht genannt hast, würde ich das ganze Lager durchsuchen lassen und keine Ruhe geben, bis ich den Mann gefunden hätte, und er würde auch wirklich lebend gefunden werden. Bei Helden klappen solche Sachen immer. Deshalb sind sie ja Helden.« Er machte eine Pause, während er das Messer in seinen Händen drehte. »Als ich jung war, stand mir die ganze ungestüme Kraft der Jugend und meiner Bedeutungslosigkeit zur Verfügung. Oh, ich hatte ein Prinzenreich, und deshalb musste man mich im Blick behalten, aber ich war kein Hoheprinz. Ich musste mich nicht um alles und jeden kümmern. Jetzt allerdings schon. Meine Macht als Hoheprinz bremst mich.«
    Sioned nickte langsam. »Damals war die einzige Beschränkung die Frage, was du tun konntest. Jetzt ist sie die, was du besser nicht tun solltest.«
    »Genau. Und es gibt niemand anderen auf der Welt, der wirklich weiß, wie ich das meine. Was würde aus mir werden, wenn ich rücksichtslos durch ihrer aller Leben stürmen würde, bloß weil ich Hoheprinz bin und die Macht dazu habe? Wenn ich einfach nur ein Prinz Rohan wäre, der die Wüste regiert, könnte ich hingegen viel weiter gehen, einfach weil es Mächtigere gäbe, die mir Einhalt gebieten könnten. Aber die gibt es im Moment nicht.« Er endete mit einem ironischen Achselzucken: »Aber zum Bild eines Helden gehört nicht, dass er vor der Macht zurückschreckt.«
    »Meine Vorstellung von einem Helden ist ganz anders«, sagte sie ruhig. »Ich sehe ihn vor mir.«
    »Du, meine Allerliebste, bist nun mal voreingenommen.«
    »Natürlich«, stimmte sie bereitwillig zu. »Aber sieh dir mal die an, die sich von dir führen lassen. Sieh dir deinen Sohn an, der dich anbetet. Rohan, wenn zu einem Helden auch gehört, dass er den Mut hat, seine Macht nicht willkürlich zu benutzen, dann bist du wirklich ein Held, Liebster.«
    Mit einem neuerlichen Schulterzucken wehrte er ab: »Was du Mut nennst, sieht hier wie Feigheit aus. Und es bringt uns Masuls Vater keinen Deut näher.«
    »War es das, wovon wir geredet haben?«, fragte sie sanft.
    Sein Lächeln war so kurz, dass es schon fast wieder verschwunden war, ehe es seine Lippen kräuselte. »Ich glaube nicht. In Wirklichkeit haben wir darüber geredet, wie wir Masul finden und umbringen können, ehe er ein Sterbenswörtchen sagen kann. Ehe wir diesen Vater benutzen müssen, um ihn zu vernichten.«
    Er sah auf das Messer hinunter, ein Meridamesser, von dem die uralte Mördergilde ihren Namen hatte: »Sanftes Glas.« Plötzlich schleuderte er die Klinge heftig durch die Luft. Einen Augenblick später steckte sie vibrierend in einer hölzernen Verstrebung an der anderen Seite des Zelts.
    »Zur Hölle mit all diesen Debatten über Macht! Sioned, selbst wenn ich meine eigenen Gesetze brechen muss, ich werde jeden Einzelnen von diesem mordlustigen Geschmeiß finden und töten. Eigenhändig, wenn es sein muss! Pol soll nicht sein Leben lang vor Meridamessern auf der Hut sein

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