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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Mann zu. »Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich als Nächstes zu Chiana gehen. Sie hat nicht viel Geld, aber sie hat am meisten zu verlieren.«
    Was Chiana aber zunächst einmal verlor, war ihre Beherrschung. Rohan hatte sie zum Pavillon holen lassen und ihr das Wichtigste erzählt. Wütend drehte sie sich zu Naydra um: »Du dummes Ding! Warum hast du ihn nicht bei dir behalten und nach uns anderen geschickt?«
    »Das reicht«, schnappte Pandsala.
    »Ganz und gar nicht, beste Regentin!«, funkelte Chiana sie zornig an. »Du und Ianthe, ihr und eure verdammten Intrigen! Ohne euch wäre all das nie passiert!«
    »Herrin«, sagte Rohan ohne ein sichtbares Zeichen von Erregung. »Eure Meinung ist im Moment unwichtig. Euer Verstand hingegen nicht. Beruhigt Euch, und denkt nach.«
    »O ja, Ihr könnt mir befehlen, ruhig und besonnen zu bleiben. Es ist ja nicht Eure Identität, die hier auf dem Spiel steht, Herr, nicht wahr?«
    Pandsala machte einen drohenden Schritt auf ihre Halbschwester zu. »Sei still!«
    »Maß dir bloß nicht an, mir Befehle zu erteilen, du verräterische Hexe!«
    Rohan unterdrückte einen Fluch. »Schluss jetzt, alle beide. Chiana, Ihr kehrt in Kieles Zelte zurück. Ja, ich weiß, es ist der letzte Ort auf der Welt, wo Ihr sein wollt, aber es ist der einzige, wo Ihr Euch jetzt nützlich machen könnt.«
    Chiana schluckte und holte tief Luft, wobei sie Pandsala giftig anfunkelte. Dann nickte sie. »Gut. Bitte entschuldigt mich.« Sie verbeugte sich vor ihm und zog sich zurück.
    Pandsala sagte mit hölzerner Stimme: »Ich bitte um Entschuldigung für ihr Benehmen, Herr.«
    Sioned lächelte schwach. »Pandsala, dieses Kind hat kein Benehmen.«
    Mit geschlossenen Augen murmelte die Regentin: »Aber sie hat recht. Ohne Ianthe und ohne unsere Pläne, die dann auch noch wieder geändert wurden, wäre das alles nie passiert.«
    »Ihr wart jung und verzweifelt«, sagte Naydra leise. »Wie wir anderen auch.«
    Sioned nickte. »Ich kann nicht gutheißen, was Ihr versucht habt. Aber ich verstehe es.«
    Pandsala begegnete Sioneds Blick, und plötzlich war es, als wären die beiden allein. »Auch wenn es eigentlich nur darum ging, Rohan zu bekommen?«
    »Er war für Euch beide doch nur ein Symbol. Die Freiheit in Gestalt eines Mannes. Aber ich glaube, Ihr habt etwas gelernt, was Ianthe nie begriffen hat: dass wir unsere Kerker selber bauen.«
    Pandsala zögerte, dann murmelte sie: »Ich habe das noch nie zu jemandem gesagt, aber ich denke, er hat gut gewählt, als er Euch nahm.« Ihre Wangen röteten sich, und sie blickte unsicher zu Rohan hinüber. »Verzeiht, Herr. Wenn Ihr gestattet, werde ich mich jetzt mit Naydra zurückziehen.«
    Als die zwei gegangen waren, stieß Rohan einen Seufzer aus und warf sich auf einen Stuhl. »Komm her zu mir, Sioned.«
    »Wie kannst du da sitzen und …«
    »Im Moment kann ich kaum etwas machen, oder? Komm her.« Nachdem er sie auf seinen Schoß gezogen hatte, seufzte er wieder. »Der Tag wird immer noch was Neues bringen. Aber erinnere mich daran: Wenn ich mir je eine Geliebte nehme, muss sie auf meinen Schoß passen. Diese langen Beine da …«
    »Ich bedaure mein Überangebot, mein Prinz. Aber ich möchte trotzdem wissen …«
    »Sioned, wenn ich anordne, dass jedes Zelt und ganz Waes durchsucht werden sollen, mache ich unsere Feinde darauf aufmerksam, dass ich diesen Mann für ungeheuer wichtig halte – wodurch ich ihn nur noch sicherer ans Messer liefere, als wenn ich ihn eigenhändig umbringe. Also werde ich abwarten, was passiert. Mehr kann ich im Moment nicht tun – außer mich nach einem langen Sommer wieder mit meiner Frau vertraut zu machen.«
    Etwas später erklang die Stimme von Rohans Knappen auf der anderen Seite der Trennwand: »Herr?«
    »Verdammt«, fluchte Rohan, und Sioned erhob sich von seinem Schoß. »Ja, Tallain, komm rein.«
    Tallain, der jüngste Sohn von Lord Eltanin von Tiglath, hatte weizenblondes Haar und dunkle Augen. Er war ein gut gebauter, junger Mann von neunzehn Jahren, der in ungefähr einem Jahr zum Ritter geschlagen werden sollte. Rohan hatte bei der Wahl seiner Knappen stets Glück gehabt; Tallain war da keine Ausnahme. Walvis, der jüngere Sohn eines kleinen Landbesitzers, war ein fähiger Feldherr geworden, ein vertrauenswürdiger Athri und ein treuer Freund. Tilal, Sioneds Neffe, war jetzt ein wichtiger, selbstständiger Herr, der ihnen immer noch nahestand. Tallain würde eines Tages über jene befestigte Stadt im Norden

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