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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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gewinnend er auftrat, viele fürchteten die zwei Arten der Macht, die dieser Mann in sich vereinte.
    Maarken setzte sich wieder und schloss die Augen. Das Bild der Leiche tauchte wieder vor seinem inneren Auge auf: groß, dunkelhaarig, grüne, weit aufgerissene Augen im letzten Sonnenlicht. Sie konnten kaum den toten Körper als Beweis gegen den angeblichen Prinzen vorzeigen; es gab schließlich viele grünäugige Männer auf der Welt. Wer wollte behaupten, dass dieser der Vater jenes Mannes war?
    »Verdammt«, murmelte er und schloss die Faust um sein Weinglas. Es musste doch etwas geben, was sie tun konnten! Wie man die Leute überzeugen konnte …
    »Warum denn so allein heut Nacht, Herr?«
    Die Frauenstimme schreckte ihn so plötzlich auf, dass Wein aus seinem Glas schwappte.
    Ein schlanker Schatten kam im Zwielicht auf ihn zu. »Ihr solltet nicht so einsam und traurig sein, Herr. Teilt Euren Kummer mit mir.«
    Ohne nachzudenken rief er Feuer auf einen Kerzendocht. »Chiana?«, fragte er ungläubig. »Was macht Ihr denn hier?«
    »Ihr Faradh’im! Immer erschreckt Ihr einen!« Sie lachte und kam näher. Ihre Finger legten sich neben seiner Schulter auf die Rückenlehne seines Stuhls, und diese Geste war noch vertraulicher, als wenn sie ihn berührt hätte. »Ich kam, um Eure Einsamkeit zu lindern, Herr.«
    »Danke für diese Aufmerksamkeit, Herrin«, sagte er, als er sich endlich wieder auf seine Manieren besann. »Ich möchte Euch nicht beleidigen, aber ich würde lieber allein sein. Heute Abend bin ich kein guter Gesellschafter für eine Dame.«
    Sie lachte wieder. »Ich möchte wetten, Ihr seid immer die geeignete Gesellschaft für eine Frau – besonders des Nachts.«
    Kühle, weiche Finger streiften seinen Nacken. Es war lange her, seit ihn eine schöne Frau liebkost hatte, doch das hier war die falsche Frau. Er kam auf die Beine und verfluchte den Wein, der ihn benommen gemacht hatte. Chiana blickte zu ihm auf. Im Kerzenlicht schien ihr ganzes Gesicht nur aus weichen Lippen und strahlenden, erregten Augen zu bestehen, alles umrahmt von kunstvoll zerzaustem Haar.
    »Verzeiht mir, Herrin, aber …«
    »Ihr seid zu bescheiden«, meinte Chiana spielerisch. »Aber ich sehe es, Herr.« Ihr Blick lief über sein Gesicht, seine Brust und seine Arme. »Ja, ich sehe es wahrhaftig …«
    Selbst mit dem Stuhl zwischen ihnen kam es ihm vor, als würde sie ihn berühren. Der Wein hatte ihn nicht so benebelt, dass er ihr nicht widerstehen konnte. Außerdem hatte er seine Vernunft nicht eingelullt. Er wusste, warum sie zu ihm gekommen war. Das lag nicht an seinem Charme. Sie hatte panische Angst vor dem angeblichen Sohn von Roelstra und griff nach jedem Mann, der ihr durch Heirat einen neuen Adelstitel verschaffen konnte, da sie ihren eigenen möglicherweise verlieren würde. Aber zu einer Dame sagte man schließlich nicht, dass sie eine berechnende kleine Hure war. »Vielen Dank für dieses Kompliment, Lady Chiana. Es ist ebenso unerwartet wie schmeichelhaft, da es von einer bezaubernden Frau kommt. Doch …«
    »Maarken! Maarken, sie sind da!«
    Er schickte ein kurzes, inständiges Dankgebet an die Göttin, dass sie ihm einen Cousin geschenkt hatte, der gelegentlich seine Manieren vergaß. Chiana trat zurück, als Pol ins Zelt stürmte. Der Unterkiefer des Jungen klappte bei ihrem Anblick weit hinunter, doch er erholte sich rasch.
    »Lady Andrade ist da, und Vater sagt, du sollst dich beeilen«, sagte er, nachdem er sich leicht vor Chiana verbeugt hatte. »Es tut mir leid, Euch zu unterbrechen …«
    Chianas Stimme war kühl und distanziert. »Ich sollte zum Zelt meiner Schwester zurückkehren. Ich habe unsere Unterhaltung genossen, Lord Maarken, und würde sie bei anderer Gelegenheit nur zu gerne fortsetzen.« Sie beugte ihr Knie vor Pol. »Majestät.«
    »Herrin«, sagte er, als sie an ihm vorbeirauschte. Dann pfiff er geräuschlos. »Maarken, es tut mir wirklich leid …«
    Maarken löschte die Kerze. »Mit einer hübschen Dame allein zu sein, ist nur erstrebenswert, wenn man die Dame wirklich schätzt.«
    »Wenn du jetzt auch sagst, dass das etwas ist, was ich vielleicht später mal verstehen werde, trete ich dich«, erwiderte Pol grinsend. »Komm jetzt, Lady Andrade fragt nach dir.«
    Auch wenn Maarken Lady Andrade ziemlich egal war, musste er aufpassen, dass seine Schritte nicht immer länger wurden, während er mit Pol zu dem blauen Pavillon hinüberging. Und es war noch schwieriger für ihn, seine Miene zu

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