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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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durcheinander. Außerdem war es höchstens ein halbes Dutzend, ich habe mitgezählt.«
    Sie wollten gerade zu den Zelten der Wüste zurückkehren, als jemand in der Menge einen warnenden Schrei ausstieß. Es gab Gerangel auf der Brücke, und die Leute eilten schreiend die Treppen herunter. Ein großer, schlecht gekleideter Mann lehnte am Geländer. Von seinem Hals strömte Blut herab.
    »Gütige Göttin, sie haben ihn umgebracht!«, rief ein Mann.
    »Da sind sie! Haltet sie, lasst sie nicht entkommen!«
    Rohan und Ostvel rannten schon zu den Stufen. Pol hätte dasselbe getan, doch Sioned hatte ihn an der Schulter gepackt. Sie brauchte all ihre Kraft, um ihn festzuhalten. Maarken stand zwischen ihnen und der Brücke. Mit gezogenem Schwert überblickte er angespannt die Menge, ständig bereit, sie notfalls zu verteidigen.
    Doch es war Rohan, der ein Schwert gebraucht hätte, eine Waffe, die er seit Pols Geburt nicht mehr getragen hatte. Ein Mann in Gelb und Braun tauchte aus dem Knäuel verängstigter Menschen auf und sprang mit gezückter Klinge auf ihn los. Sofort hielt Rohan die Messer aus seinen Stiefeln in beiden Händen und kämpfte mit der raschen Anmut und dem Geschick eines Mannes, der dazu geboren ist, eine Klinge zu führen. Ostvel rang mit einem zweiten Mann in Meridafarben, der ihn angesprungen hatte, ehe er sein Schwert ziehen konnte. Die beiden rollten den Hang hinunter in den Fluss.
    »Vater!«, schrie Pol und kämpfte gegen Sioneds Griff.
    Der Kampf war schnell vorüber. Nur sehr wenige konnten es in einem Messerkampf mit Rohan aufnehmen; dieser Mann schon gar nicht. Er wich Stufe um Stufe auf die Brücke zurück und blutete aus einem Dutzend Wunden. Schließlich drehte er sich verzweifelt um und schwang sich über das Geländer in den reißenden Fluss. Er tauchte noch einmal mit rudernden Armen auf, wurde jedoch von der tückischen Strömung flussabwärts gerissen. Dann geriet er in eine Unterströmung, schrie auf und verschwand.
    Inzwischen war es Ostvel gelungen, seinen Angreifer davon abzuhalten, ihn zu ertränken. Stattdessen zwang er den Mann dazu, Wasser zu atmen, indem er seinen Kopf auf den sandigen Grund drückte. Rohan half Ostvel, den Mann aus dem Fluss zu zerren. Sie schüttelten ihn, ohrfeigten ihn, und nach einer Weile erbrach er sich hustend.
    Sioned löste ihren Griff von Pol, und Maarken folgte ihm hinunter zum Ufer. Die Menge drängte sich murmelnd und erstaunt in der Nähe zusammen. Nur Sioned erinnerte sich an den Sterbenden auf den Stufen.
    Sie ging zu ihm hinüber und sah sofort, dass ihm nicht mehr zu helfen war. Seine Kehle war sauber aufgeschlitzt. Man konnte weiße Knochen durch den klaffenden Schnitt sehen, der mit dem Ende seines Herzschlags zu bluten aufgehört hatte. Sein Ärmel hatte sich an einem Nagel verfangen, doch der Arm darin hing schlaff herunter. Seine offenen, grünen Augen schienen genau durch sie hindurch zu starren.
    Als sie die Stufen hinunterstieg, bahnte sich eine Frau den Weg durch die Menge, die einen widerstrebenden Gefangenen hinter sich herzog. Sioned erstarrte, denn die Frau trug weder offizielle Farben noch ein Rangabzeichen.
    »Hauptmann Pellira, Hoheit, von der Wache der Regentin«, sagte die Frau mit einer Verbeugung. »Ich bedaure, dass wir nicht schnell genug waren, auch die anderen zu erwischen.«
    »Wer ist das?«, fragte Sioned leise.
    »Ich bin kein Mörder!« Der Gefangene versuchte jetzt nicht mehr zu entkommen. »Ich bin einfach bloß vom Markt zurückgekommen, da hat sie mich festgehalten!«
    »Sag Ihrer Hoheit die Wahrheit!«, fuhr ihn Pandsalas Wache an. »Er ist dem Mann da drüben gefolgt. Ich weiß es, weil ich ihm gefolgt bin.«
    »Bringt ihn zu unserem Pavillon, und bewacht ihn«, sagte Sioned. Sie war plötzlich sehr müde. »Wir verhören ihn später.«
    Sie stand neben Pol und Maarken, während Ostvel sich mit dem anderen Mordgesellen befasste. Rohan richtete ihn auf, als er zitternd nach Luft rang; seine Dankbarkeit, noch am Leben zu sein, wechselte ab mit purem Entsetzen.
    Rohan stand auf und sah Sioned an. Von einer Schnittwunde auf seiner Wange rann Blut herab. Sioned schüttelte den Kopf, und er seufzte still auf.
    »Der hier lebt«, sagte er zu ihr.
    »Meridafarben«, knirschte Ostvel mit belegter Stimme.
    »Nein«, sagte Pol. »Vater, sieh dir nur deine Hände an. Und auch Ostvels.« Er zeigte auf Rohans Finger, die von der Tunika des Mannes gelbe und braune Flecken abbekommen hatten. »Er ist kein Merida. Ihre

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