Mondlaeufer
zurückgeschlagen wurde und ein unerwartetes Quartett eintrat: drei Prinzessinnen und die offizielle Abgesandte eines Prinzenreiches. Zwischen Sioned und Pandsala standen die junge Gemma und Lady Eneida von Firon, und die Männer rissen nur noch ihre Augen auf. Trotz ihrer empörenden Anmaßung, mit dem Hoheprinzen gemeinsam zu regieren, hatte Sioned noch nie einem Rialla -Treffen beigewohnt. Frauen waren bei den formellen Zusammenkünften einfach nicht zugelassen, und nicht einmal sie hatte es bisher gewagt, sich über diese Tradition hinwegzusetzen. Doch Davvis Vorschlag, die Erben zusehen zu lassen, hatte das Treffen informell gemacht. Rohan wusste, dass er damit hätte rechnen müssen, dass seine Frau das ausnutzen würde.
»Guten Morgen, meine Herren. Ich war bei meinem Sohn, als man ihn rief, und habe dann persönlich Prinzessin Gemma von ihrem Zelt abgeholt. Unterwegs traf ich Lady Eneida von Firon mit der Regentin Pandsala.« Sie lächelte, als sei dieser glückliche Zufall wirklich ein Zufall gewesen. Ihr Blick war ohne jede Herausforderung. Sie würden nicht protestieren, konnten es auch gar nicht, und das wusste sie. »Cousin«, wandte sie sich sanft an Chale, »Eure Erbin braucht einen Sitzplatz.«
Vier Wassertropfen fielen vom oberen Uhrglas in das untere, während der Mann offensichtlich hin- und hergerissen war zwischen dem Ärger darüber, dass Frauen in diese Prinzenversammlung eingedrungen waren, und einer leisen Bewunderung für Sioneds Schachzug. Die Tradition gab nach – wie üblich in Sioneds Gegenwart. Chale winkte Gemma zu sich und stellte einen Stuhl für sie hinter sich.
Sioned fuhr fort: »Ich bedaure, dass ich nicht hierbleiben kann. Eure Damen werden bald zu mir kommen, und es gibt noch viel zu tun.« Sie lächelte alle erneut unschuldig an und zog sich zurück, nachdem sie sich vor ihrem Gatten verneigt hatte.
Dank lebenslanger Disziplin blieb Rohans Gesicht unbewegt. Vor drei Riall’im hatte Sioned ihre kleinen Treffen eingeführt, und den Prinzen war unbehaglich zumute, wenn sie daran dachten, was ihre Frauen, Schwestern und Töchter bei so einem Imbiss im privaten Gespräch mit der Höchsten Prinzessin ausplaudern konnten. Frauen sagten oft Dinge untereinander, die Männer nicht hören wollten. Aus Sioneds Berichten konnte sich Rohan oft ein besseres Bild davon machen, was vor sich ging, als aus dem, was die Prinzen selbst verlauten ließen.
Lady Eneida stand schmal und aufrecht wie ein Schwert neben dem Stuhl, den man ihr hingestellt hatte. »Ihr Herren, Firon hat zwar keinen Prinzen, doch Ihre Hoheit bat mich, als Abgesandte meines Landes hier teilzunehmen.« Damit setzte sie sich und bekräftigte dadurch unanfechtbar ihr Recht, anwesend zu sein.
Pandsala hatte sich bereits hinter Pol gesetzt, der direkt neben Rohan und nicht hinter ihm saß. Auch das verunsicherte die anderen Prinzen etwas, doch sie hatten ihn alle kurz nach seiner Geburt als rechtmäßigen Besitzer der Prinzenmark anerkannt. Von Rechts wegen hätte er an allen formellen Gesprächen teilnehmen dürfen. Als seine Regentin hatte Pandsala im Prinzip kein Recht, hier zu sein, doch niemand besaß den Mut oder die schlechten Manieren, Einwände dagegen zu erheben. Außerdem brannten viele darauf, ihr Gesicht zu beobachten, wenn sie den Mann sah, der ihr Bruder sein konnte.
Rohan winkte Tallain zu und lehnte sich bequem in seinem Stuhl zurück. Diese Pose war voller Absicht, denn sie wurde von ihm unter diesen Umständen erwartet, aber er tat es trotzdem. Bei einem Blick auf das Profil seines Sohnes blitzte sein Geist hell auf. Pol würde die Prinzenmark nicht verlieren, bevor er überhaupt die Chance gehabt hatte, sie zu regieren.
Lyell trat ein. Und mit ihm ein großer, bärtiger junger Mann, dessen dunkles Haar einen leicht rötlichen Schimmer hatte, der noch intensiver aus seinem sauber geschnittenen Bart leuchtete. Sein Haarschnitt betonte die tiefgrünen Augen. Er trug eine einfache Tunika aus feinster Seide, deren Blau so dunkel war, dass es schon an Violett grenzte. Gelbliche Lederhosen bedeckten muskulöse Beine, die in weichen Stiefeln von der Farbe der Tunika steckten. An einem Finger trug er einen schweren Silberring, an einem anderen einen dünneren goldenen, und neben seiner Wange baumelte ein Ohrring mit Amethyst. In der lastenden Stille glitt sein Blick langsam von Gesicht zu Gesicht und verweilte kurz bei Pol, ehe er Rohan anstarrte. Er verbeugte sich nicht.
Sekundenlang hielten alle den Atem
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