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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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der Luft rief und Feuer beschwor, der Licht und alle Elemente durch die Macht seiner Gedanken zusammenweben konnte.
    Die Asche, in der das geschmolzene Gold und Silber glitzernde Lichtpunkte zurückgelassen hatte, wurde über das Land getragen, wobei der Wind den Nebel noch mehr auseinandertrieb. Im fernen Dorval, in Firon, in der Wüste und in Kierst würden andere Luftströmungen den feinen Staub weiter verteilen, bis der unsichtbare Regen schließlich auf die Erde fallen und sich mit ihr verbinden würde. Das letzte Band zwischen Andrades Geist und Körper wurde gelöst, sodass die Überreste von dem, was einst ihr Körper gewesen war, sich nun über das Land verteilen konnten, dem sie so lange gedient hatte.
    »Pol.«
    Er war sich vage bewusst, dass jemand seinen Namen rief.
    »Pol. Es ist vorbei. Pol, komm zu uns zurück.«
    Er sah verständnislos zu seinen Eltern hoch. Die grünen Augen seiner Mutter waren matt vor Müdigkeit und – seltsamerweise – vor Furcht. Sein Vater umfasste seine Schultern; er war es, der gesprochen hatte. Pol atmete langsam ein und versuchte, sie anzulächeln, was ihn plötzlich ungeheuer anstrengte. Er war so müde wie noch nie zuvor, und es fiel ihm erstaunlich schwer, sich auf den Beinen zu halten.
    Seine Mutter nickte langsam, während die Angst aus ihren Augen verschwand. »Jetzt ist es wieder gut«, murmelte sie in sich hinein.
    Natürlich ist alles gut, wollte Pol sagen. Er hatte nur getan, was jeder Lichtläufer vermochte.
    Doch als die Leute vortraten, um sich vor ihm zu verbeugen, ehe sie ins Lager zurückgingen, las er seltsame Dinge in den Mienen. Selbst Lleyn und Chadric sahen ihn mit ganz neuer Aufmerksamkeit an. Pol fand das sehr verwirrend.
    Den Ausdruck in einem Augenpaar verstand er allerdings nur zu gut. Andry löste seinen Blick keinen Moment von Pols Gesicht. Und in diesem langen, festen Blick fand Pol seine eigene Wachsamkeit wieder. Andry hatte vielleicht eine mächtige Faradhi -Veranlagung – doch Pols Gabe war ebenso stark, und er war ein Prinz.

Kapitel 27
    »Instinkt natürlich«, erklärte Sioned mit einem Gleichmut, den sie ganz und gar nicht besaß. Rohan warf ihr einen langen, vielsagenden Blick zu; ihr Tonfall konnte ihn kein bisschen täuschen.
    Sie hatten Pol, der so erschöpft war, dass er kaum noch stehen konnte, gerade ins Bett gesteckt. Er schlief, noch ehe sein Kopf das Kissen berührte. Sein von der Sonne ausgebleichtes Haar glänzte hell im Licht der Morgendämmerung, das durch die Zeltbahnen sickerte. Dann hatte Rohan Sioned in ihren eigenen Bereich des Pavillons gebracht und sie hingelegt. Und jetzt marschierte er auf dem Teppich auf und ab.
    »Er wusste nicht, was er tat«, fuhr sie fort. »Er hat es einfach gemacht. Ich kann nicht beschreiben, wie es war, ihn plötzlich dort zu haben, seine ganze rohe, junge Kraft, die sich mit der von Andry traf und verschmolz, obwohl beide getrennt blieben. Sie haben uns andere einfach aus der Beschwörung geworfen, so versessen waren sie darauf, es selbst zu machen. Sie sind so jung und sehr stark, alle beide.«
    »Ich habe aber auch hinterher Andrys Gesicht gesehen«, sagte Rohan ruhig.
    Sioned setzte sich auf und drückte dabei ein Kissen an die Brust. »Ich auch«, gab sie zu. Ihre Stimme klang gepresst.
    »Ich verstehe zwar irgendwie, dass er sich geärgert hat. Sein erster großer Augenblick als Herr der Schule der Göttin, und sein Cousin, der Hoheprinz sein wird, mischt sich ein. Sein Cousin, der sogar noch jünger ist als er selbst. Aber mir hat überhaupt nicht gefallen, was ich in seinem Gesicht gesehen habe, Sioned. Es erinnerte mich an den Feuerdrachen, den du in Stronghold beschworen hast, den, der durch den großen Saal flog und im Wandbehang verschwand.«
    Sioned zuckte mit den Schultern. »Angeberisch, aber wirkungsvoll.«
    »Du weißt, was ich meine, verdammt noch mal. Andrade war wütend und argwöhnisch. Und Andry hat Pol ebenso angesehen.«
    »Sie sind beide jung, Rohan«, wiederholte sie.
    »Jung und sehr stark, hast du gesagt«, stellte er richtig.
    Sie senkte das Kinn in das weiche Seidenkissen und schwieg.
    »Er ist mein Neffe, der Sohn meiner eigenen Schwester. Das ist doch Wahnsinn.«
    Sie schwieg weiterhin.
    »Warum sollten sie aneinandergeraten? Sie werden in ganz verschiedenen Bereichen Einfluss nehmen.« Er blieb stehen und verbarg sein Gesicht in beiden Händen. »O Göttin. Wenn Andrade sich nun in ihm getäuscht hat …«
    Sioned biss sich auf die Lippen, dann sagte sie

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