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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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getötet. Alle haben dermaßen Ehrfurcht vor den Lichtläufern – doch sie bluten und sterben wie jeder andere. Ich trage einen ihrer Ringe, weil ich das allen zeigen will. Fragt meine Schwester, Lady Kiele. Sie sah mir dabei zu.«
    Andry fand Kiele in der Menge. Sie presste sich an die Seite ihres Mannes, und das Entsetzen auf ihrem Gesicht verriet ihre Schuld.
    »Herr – ich schwöre, ich weiß nichts von …«
    »Ihr verleugnet mich, Schwesterherz?«, höhnte Masul. »Wovor fürchtet Ihr Euch? Schon morgen wird die Prinzenmark mir gehören, und nichts wird einen von uns anfechten können. Ich akzeptiere den da«, er nickte zu Maarken hinüber, »als meinen Gegner für den Zweikampf. Er sieht aus, als könnte er mir einen unterhaltsamen Kampf liefern.«
    Insgeheim staunte Rohan über die Arroganz dieses Mannes. All die Bitterkeit der langen Jahre, in denen er sich für Roelstras verlorenen Sohn gehalten hatte, schien sich in diesen wenigen Momenten zu konzentrieren. Er zahlte es allen zurück, die ihn all die Jahre für nichts anderes als den illegitimen Sohn einer Magd gehalten hatten, allen, die an seinem Traum von seiner edlen Abstammung gezweifelt hatten.
    Maarken wartete noch immer auf Rohans Antwort. Er hatte verärgerte graue Augen, die denen von Chay so ähnlich waren, und Rohan erinnerte sich blitzartig an den kleinen Jungen, den er und Sioned vor einem Drachen gerettet hatten, den Knappen, der zu früh in den Krieg gezogen war. Maarken trug noch immer den Granatring, den Rohan ihm als sein erstes Lichtläufer-Symbol überreicht hatte.
    Dann sah er Tobin an, deren Finger sich weiß in Chays Arm gruben. Doch ihre schwarzen Augen waren unnachgiebig; weder Rohan noch Pol konnten diesen Kampf austragen. Die Ehre ihres Hauses verlangte, dass einer ihrer Verwandten an ihrer Stelle benannt wurde. Chay nickte schweigend. Seine Miene verriet sowohl Wut als auch Stolz.
    Auf einmal sah er, wie sich ein grauer Seidenrock und ein Schleier anmutig bewegten. Sioned, die mit den anderen Faradh’im abseits gestanden hatte, trat ein paar Schritte vor. Ihr Blick löste sich keinen Moment von Rohan. In ihm war kein Ärger, kein verletzter Stolz. Nur Trauer um das, was geschehen musste.
    Rohan wandte sich Maarken zu. »Die Entscheidung liegt bei meinem Sohn. Ihm gehört die Prinzenmark.«
    Pol streckte seinem Cousin eine Hand hin. Dieser nahm sie und fiel vor ihm auf ein Knie. »Wir erkennen Euer Recht an, Lord Maarken. Aber wir bedauern, dass Ihr Eure Klinge mit dem Blut dieses Mannes beflecken müsst.«
    Masul lachte laut auf. »Oh, schön gesagt, kleiner Prinz!«
    Pol sah mit schmalen Augen zu ihm hoch. »Maarken«, sagte er langsam, »mach es kurz, aber sorg dafür, dass er langsam stirbt.«
    »Wie Ihr befehlt, mein Prinz.«
    »Morgen Mittag also?«, fragte Masul so beiläufig, als ginge es um die Verabredung mit einer Frau.
    »Mittag«, sagte Maarken, nachdem er sich erhoben hatte. »Und jetzt verschwindet. Eure Gegenwart entheiligt das Ritual.«
    Masul verbeugte sich spöttisch und ging fort. Seine Anhänger folgten ihm, bezeugten jedoch vorher noch Rohan und Andry ihren Respekt. Die anderen blieben. Die Lichtläufer stellten sich wieder zum Kreis auf, ihre grauen Gestalten umringten den Scheiterhaufen. Wieder herrschte Stille. Sie wurde nur vom hungrigen Knistern der Flammen unterbrochen.
    Pol blieb bei seinem Vater und starrte blind in das Feuer. Während er im Kreis gestanden hatte, hatte seine Mutter sanft mit ihm in Kontakt gestanden und als Puffer zwischen ihm und den anderen Faradh’im gewirkt, während das Licht über den ganzen Kontinent gesandt wurde. Doch jetzt war ihre zärtliche Gegenwart nicht mehr zu spüren. Er hatte sich noch nie im Leben so allein gefühlt.
    Es war nicht ihre fehlende Berührung, die ihn beunruhigte, auch nicht das strenge Schweigen seines Vaters neben ihm. Im Laufe des Sommers und des Rialla hatte er die Macht des Prinzentitels kennengelernt, die sein Vater ihm übergeben hatte. Er war zu seiner eigenen Zufriedenheit mit ihr umgegangen. Doch jetzt hatte er zwei Mal in sehr kurzer Zeit die unglaubliche Kraft des Erbes seiner Mutter gespürt. Und damit war viel schwieriger umzugehen. Als Teil des Gewebes dieser Nacht hatte er gelernt, wie großartig es war, wenn Faradh’im zusammenwirkten; er hatte die atemberaubende Schönheit der disziplinierten Farbmuster erlebt. Doch jene Nacht, als Lady Andrade gestorben war …
    Sein Kopf schmerzte noch immer. Seine Mutter hatte gegen die

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