Mondlaeufer
er, dass es unnatürlich wäre, wenn er sich gewünscht hätte, an Maarkens Stelle zu stehen. Mit schiefem Lächeln gab er seine Zustimmung zu dem, was er in den Augen seines Vetters sah, und hob leicht die eine Achsel.
Dann kam Sorin mit einem langen weißen Gürtel und gab ihn Pol. Der legte ihn um den Bauch seines Cousins und schloss ihn geschickt mit der goldenen Schnalle von Prinz Lleyn. Danach nahm er das Schwert von Tilal entgegen und überreichte es Maarken. Als der es angelegt hatte, sah Pol Sorin und Riyan an.
»Habt ihr, was ich euch gegeben habe?« Sie verstanden ihn sofort und händigten ihm die Messer aus, die er für sie auf dem Markt gekauft hatte. Er zeigte sie Maarken. »Es sind nur einfache Messer«, entschuldigte er sich, »nicht wirklich zum Werfen geeignet. Aber Vater sagt immer, man sollte wenigstens eins dort versteckt haben, wo unsere Feinde nicht danach schauen. Vater hat seine in den Stiefeln.«
»Ich weiß. Ich habe auch ein paar dabei – aber diese sind mir wirklich sehr recht, glaub mir.« Maarken steckte die Messer in seinen Gürtel.
Sorin fragte: »Möchtest du den Helm?«
»Nein. Auch keine Lederkappe. Ich will das Gesicht dieses Bastards zusammenschrumpeln sehen, und Helme und Kappen sind da nur im Weg.« Plötzlich grinste er. »Außerdem ist es verdammt heiß da draußen.«
Auf einmal waren sie alle still, denn keiner wollte zugeben, dass es fast Mittag war und dass Masul sicher schon wartete. Pol sah seinen Cousin lange fest an und wünschte, er fände Worte, seine Gefühle auszudrücken, wünschte, er wüsste überhaupt erst einmal, was das für Gefühle waren. Sie wirbelten so in ihm herum, dass er nicht wusste, ob Furcht oder Stolz oder Liebe oder Hass oder grimmige Erwartung am stärksten waren. Er berührte Maarken kurz am Handgelenk und sah, wie dessen graue Augen lächelnd auf ihn heruntersahen.
»Pass auf dich auf, Maarken«, war alles, was er um den plötzlichen Klumpen in seiner Kehle herum herausbringen konnte.
»Das werde ich, mein Prinz.«
Ein unerwarteter Besucher kam herein, unerwartet nur für Pol, während er von allen anderen respektvoll willkommen geheißen wurde. Er fühlte sich schuldig, weil er zwischen sich und Andry Abstand halten wollte, doch sein Misstrauen war stärker denn je.
Andry schien das jedoch nicht zu bemerken. Er umarmte seinen ältesten Bruder und sagte: »Fass meinen Rat bitte nicht als Beleidigung auf, aber du musst den Kampf rasch beenden. Ich will nicht, dass die Sterne ihn noch beleuchten. Wenn diese Zauberer Andrade über das Sternenlicht töten konnten, werden sie keine Skrupel haben, mit dir dasselbe zu tun. Nimm dich in acht, Maarken.«
»Ihr glaubt doch nicht etwa, dass Masul sie wissentlich auf seiner Seite hat!«, rief Riyan aus.
»Ich weiß nichts, und ich glaube nichts«, erklärte Andry heftig. »Ich weiß nur, dass der Kampf vor Einbruch der Nacht beendet sein muss. Ich weiß noch nicht genug über die Macht der Sterne, um abschätzen zu können, was sie vielleicht versuchen werden.«
Maarken nickte langsam. »Es sind genug Wolken am Himmel, um das Sonnenlicht fernzuhalten, Andry. Und es ist noch nicht einmal Mittag! Ich würde mich noch nicht so sehr um die Sterne sorgen.«
»Nun, ich tue es«, sagte sein Bruder kurz angebunden.
»Maarken weiß, was er tut«, hörte Pol sich selbst sagen.
Andry sah ihn an. »Er kämpft ebenso für meine Ehre wie für deine.«
Pol nickte. »Ich finde eigentlich, wir sollten als Erste dort sein. Wenn Maarken so spät kommt, wird Masul ihn nur verhöhnen.« Er versuchte, Maarken seine Ungezwungenheit wiederzugeben, und zuckte mit den Schultern. »Egal, was es noch für Gründe gibt; er verdient den Tod allein schon für seine Unverschämtheiten.«
Maarkens Augen leuchteten voller Zustimmung kurz auf. Er schlug Pol auf die Schulter und meinte: »Dann lasst es uns zu Ende bringen. Ich ersticke hier drin und …«
Pol sah, dass Maarkens Gesicht erstarrte, und drehte sich um. Hollis stand im Eingang. Ihr langes, lohfarbenes Haar lag ungebändigt auf ihren Schultern und fiel ihr in zerzausten Strähnen bis auf die Hüften. Die riesigen blauen Augen wirkten in ihrem blassen Gesicht tiefdunkel. Sie sahen nur Maarken. Pols Erstaunen und seine unbändige Neugier wichen zum ersten Mal in seinem Leben plötzlichem Verständnis; er winkte den anderen und führte sie aus dem Zelt.
Obwohl Pol es sich erhoffte, fielen die Worte, die die beiden einander vielleicht hätten sagen können, um
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