Mondlaeufer
verblasste und wurde zu einer fironesischen Kristallscheibe, über die schwarze Tinte floss. Auf einmal zerbrach diese vor ihr auf dem Boden. Sie hob eine Scherbe auf, las drauf Chian’den und überlegte, was denn jetzt die Illusion war, ihre Hände oder das Stückchen Glas.
Sejast kniete keuchend neben ihr; sein schwarzes Haar umrahmte sein weißes Gesicht in dicken Strähnen, es ähnelte Tintenstrichen auf Pergament. Er verfolgte gebannt den Kampf, und seine wilden Augen lachten dabei. Chian’den, dachte Hollis. Sie hatte diese Worte mit Andry übersetzt, und Sejast hatte ihnen beiden geholfen.
Sie hörte einen Verzweiflungsschrei und wusste, dass er von Maarken gekommen war. Er schien sehr weit weg zu sein. Er versuchte, sich aufzurichten, während sein Feind, an dessen Namen sie sich nicht recht erinnern konnte, über ihm stand und lachte. Doch das blitzende Schwert in der Hand dieses Feindes war Maarken sehr nahe und war bereit, ihm das Leben zu nehmen. Hollis atmete schwer, und ein Teil von ihr staunte, wie groß ihre Wut geworden war. Zuerst hatte sie ihren Kopf erfüllt, doch inzwischen hatte sie sich wie eine glühende Nadel in ihr Herz gesenkt.
Jener ruhige, starke Teil von ihr richtete sich auf. Ihre Ringe, brüchige goldene und silberne Reifen um ihre Finger, waren kalt und staubüberzogen, als sie über den Boden kroch. Sie schnitten ihr ins Fleisch, als sie beide Hände um das Messer legte, es aus dem Bein der Prinzessin zog und einen Augenblick lang wie ein Geheimnis zwischen ihren Brüsten wiegte.
Die neue Macht war ihr jetzt sehr bewusst. Vielleicht war es der Becher Stärkungswein, den sie auf Sejasts Drängen getrunken hatte, ehe sie hergekommen war. Sie nickte, als sie endlich alles verstand, und war noch nicht einmal besonders überrascht. Dieser Wein und all die anderen Becher Wein und Tee und Fruchtsaft und sogar das einfache, unschuldige Wasser, alles, was er ihr das Frühjahr und den Sommer hindurch gebracht hatte, all die süßen, kräftigenden Getränke, die er ihr gegeben hatte, waren mit Dranath versetzt gewesen.
Sie sah, dass die Faradh’im sich nicht länger in unbändigen Schmerzen wanden. Ganz kurz fragte sie sich, ob Sejast das wohl auch bemerkt hatte, ob er hörte, dass ihr Wimmern langsam verstummte, während sie wieder zu Atem kamen. Sie sah, dass sie hinter ihn gekrochen war, als sie zu Pandsala gelangen wollte, und dass sein Rücken ihr zugewandt war, als er sich auf die Fersen hockte und seine Arme in Richtung auf Maarken ausstreckte.
Maarken …
Dessen große, blutüberströmte Gestalt taumelte, als sei er stockbetrunken; sein Schwert zitterte in seinem unsicheren Griff. Masul stand etwas abseits und grinste, als Maarken zum Angriff ansetzte. Der Herausforderer trat einen Schritt zurück und lachte laut auf, als ein halbblinder Hieb von Maarken völlig danebenging. Ein verächtlicher Schlag auf die Schulter mit der flachen Klinge, ein Tritt, und Maarken stolperte wieder.
Hollis hörte ihn wieder aufschreien – nicht vor Schmerz oder aus Angst, sondern aus Verzweiflung. Er fing sich mit einem Knie ab und schlug wild auf die Luft ein, ohne Masul überhaupt anzusehen. Und Sejast schüttelte sich vor unterdrücktem Gelächter.
Hollis stieß die blutbeschmierte Klinge zwischen seine Rippen, trieb sie tiefer und tiefer hinein, bis sie glaubte, sie spüre durch das Messer seinen Herzschlag. Dann drehte sie es. Dick und rot sprudelte es ihr über Hände, Brust und Gesicht. Sie drehte das Messer in Sejasts Körper, bis sein Herz nicht mehr schlug.
Der plötzliche Zusammenbruch der Lichtläufer und ihres Feuerschilds brachte selbst Rohans kaum vorhandene Faradhi- Sinne schmerzhaft zum Klingen. Sioned brach zusammen, ihr Atem ging flach, und ihre grünen Augen wurden wild und dunkel. Pol, Tobin, Alasen – alle Lichtläufer krümmten sich vor Qualen im dürren Gras und wurden dabei nach dem ersten, furchtbaren Schrei beängstigend still. Sie wurden besinnungslos, als hätte eine riesige Faust sie zermalmt.
Masul lachte und stieß Maarken nieder. Rohan sah, dass das Schwert seines Neffen erneut ziellos hochfuhr. Sein Gegner wehrte die Klinge mit seiner behandschuhten Hand ab und warf sie fort. Maarken duckte sich vor etwas Unsichtbarem und tastete verzweifelt nach den Messern in seinem Gürtel. Er stieß mit einem nach oben und traf dabei rein zufällig Masuls Bein mit einer der Klingen. Der Mann stöhnte vor Schmerz auf, gab Maarken einen Tritt, sodass er auf den Rücken
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