Mondlaeufer
ersparte. Chay und Rohan sahen die ganze Zeit zu und zuckten bei jeder Wunde zusammen, die neu aufgedeckt, gesäubert und verbunden wurde. Sie waren dankbar für Gemmas Hilfe und ihre Versicherung, dass nur wenige Narben zurückbleiben würden. Mehr Sorge bereitete ihr Maarkens zerquetschtes Handgelenk. Danladi beschäftigte sich lange damit, und Maarken stöhnte sogar in seinem Betäubungsschlaf noch, als es verbunden wurde. Die Zeit würde zeigen, ob er es je wieder benutzen konnte.
Pol hatten sie mit seiner Mutter und seiner Tante in den Pavillon zurückgeschickt, wo alle drei fest schliefen, als hätten auch sie Schlafmittel bekommen. Rohan nahm an, dass Andry oder Urival oder irgendjemand anders sich genauso um die anderen Lichtläufer gekümmert hatte. Es war schon fast Abend, als Tallain mit der furchtbaren Neuigkeit in Maarkens Zelt kam.
»Die Regentin ist tot, Herr.«
Rohan merkte, dass er überhaupt nichts empfand. Es war, als hätte ein Schlag alle seine Gefühle betäubt.
»Wie das?«, brachte Chay ungläubig hervor.
»Es gab nur eine einzige Wunde, einen Messerstich in ihrem Bein. Daran kann sie nicht verblutet sein. Aber trotzdem ist sie tot.« Tallain sah aus, als könne er es selbst nicht begreifen. »Ihre Schwester, Prinzessin Naydra, hat sie vom Feld zu den Zelten ihres Gatten bringen lassen und fragt, was Ihr anordnen werdet, Herr.«
Jetzt empfand er allmählich wieder etwas, und seine Gefühle beschämten ihn. Denn er fühlte nur eine ungeheure Erleichterung.
»Herr?«
»Ja«, antwortete er automatisch. »Sie bekommt ein ehrenvolles Bestattungsfeuer, wie es einer Prinzessin und Lichtläuferin gebührt. Auf der Felsenburg, denke ich – ja. Bitte sag Prinzessin Naydra, dass ich ihr sehr dankbar wäre, wenn sie alles Nötige veranlassen würde. Und – und sag ihr, dass ich ihren Kummer teile.«
Er räusperte sich. »Warten die anderen Prinzen noch?«
»Nein, Herr. Als es so aussah, als würdet Ihr länger hierbleiben müssen als bis zur Dämmerung, habe ich sie gebeten, morgen früh zu kommen.« Als Rohan die Stirn runzelte, verteidigte sich Tallain etwas förmlich. »Ihre Hoheit, die Höchste Prinzessin, fand ebenfalls, dass jeder erst einmal Ruhe braucht.«
»Ihre Hoheit, die Höchste Prinzessin, kann eine unmögliche Ziege sein. Besonders wenn sie recht hat. Geh und grüß sie von mir, Tallain.«
Der junge Mann verbeugte sich voller Erleichterung und ging. Dann wandte sich Rohan an Gemma. »Seid Ihr fertig, Herrin?«
»Gerade eben, Hoheit.« Sie wischte sich an einem Handtuch die Hände ab und gab es dann der wartenden Danladi. »Es gibt keine ernste Verletzung außer dem Problem mit seinem Handgelenk – auch wenn er einige Zeit steif und wund sein wird und ein oder zwei Schwertwunden beobachtet werden müssen. Was die Hand angeht …« Sie sah zu Maarken hinüber. »Das kann ich noch nicht sagen. Auf alle Fälle sollte er sich erst einmal zwei oder drei Tage nicht bewegen.«
Danladi lächelte schüchtern. »Wenn ich daran denke, wie schwer es war, ihm den Schlaftrunk einzuflößen, könnt Ihr von Glück sagen, wenn er auch nur einen Tag im Bett bleibt, Hoheit.«
»Er wird sich benehmen«, sagte Chay rau. »Oder ich ziehe ihm alle Haut ab, die er noch hat.«
»Zweifellos, Herr«, sagte Gemma. Doch Rohan sah noch etwas in ihrem Gesicht, das ihn verwirrte. Er hob eine Braue in ihre Richtung, und sie sah plötzlich nervös weg.
»Was habt Ihr, Herrin?«, drängte er. »Ihr habt mir und meiner Familie einen großen Dienst erwiesen. Nennt Eure Bitte.«
»Hoheit, ich möchte keine Bezahlung für …«
»Ach, lasst mich doch großzügig sein«, bot Rohan mit leisem Lächeln an. »Das ist eine der wenigen echten Freuden für einen Prinzen, wie Ihr sicher auch bald herausfinden werdet.«
»Ich bitte nicht für mich«, sagte sie schnell, »sondern für Danladi.«
Das andere Mädchen hielt den Atem an. »Nein, Gemma, bitte …«
»Sei still«, befahl die Prinzessin freundlich. Dann wandte sie sich an Rohan: »Danladi war für mich viele Jahre wie eine Schwester. Es ist mein Wunsch, dass wir nun auch echte Schwestern werden.«
Rohan und Chay sahen sich verwundert an.
»Ich bin mein Leben lang Prinzessin gewesen, wenn meine Stellung sich auch etwas ändern wird, wenn ich nach meiner Hochzeit mit Lord Tilal nach Ossetia gehe.« Sie errötete, als sie seinen Namen erwähnte. »Aber Danladi ist von Geburt her genauso Prinzessin wie ich. Würdet Ihr mir bitte die große Gunst erweisen,
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