Mondlaeufer
ihnen Wein einzuschenken. »Ich bin neugierig, Vetter«, fuhr er fort. »Wie war das, als Sioned River Run verließ und an die Schule der Göttin ging?«
Davvi wartete, bis der Knappe sich unter Verbeugungen zurückgezogen hatte und sie allein waren, dann erzählte er langsam: »Sioned war noch ein kleines Mädchen, als unsere Eltern starben. Ich musste auf einmal über eine Burg herrschen. Ich war zu beschäftigt, um mich viel um sie kümmern zu können, und sie ist meist ihre eigenen Wege gegangen. Doch als ich Wisla geheiratet habe, hat die es schnell gesehen. ›Eine seltsame Art mit dem Wind‹ hat sie es genannt. Als wir im Winter eines Nachts im Wintergarten saßen, ging das Feuer aus, und Sioned hat es wieder zum Brennen gebracht, ohne es zu berühren, ohne mehr zu tun, als ihre Finger zu krümmen. Unsere gemeinsame Großmutter war eine Faradhi, Volog. Aber vor dieser Nacht wäre ich nie darauf gekommen, dass Sioned auch eine sein könnte.«
»Ich war bei Alasen genauso blind«, gestand Volog. »Wisst Ihr, ich habe mich oft gefragt, wie es sein könnte, wenn ich die Gabe hätte, ich habe Sioned sogar beneidet.« Er warf einen Blick auf den Vorhang, hinter dem seine Tochter schlief. »Aber jetzt nicht mehr.«
»Sioned hat aber große Freude und Erfüllung durch ihre Lichtläufer-Gabe gefunden.«
»Alasen nicht.« Volog nippte an seinem Wein. »Ah, gut. Wie ich schon sagte, es ist ihre Entscheidung.« Er sah auf, als der Knappe wieder hereinkam. »Ja? Was ist?«
»Eine Botschaft von seiner Hoheit von Isel, Herr.« Der Junge händigte ihm ein gefaltetes und versiegeltes Blatt Pergament aus und zog sich unter Verbeugungen wieder zurück.
»Lasst mich raten. Saumer hat eine Erleuchtung gehabt.«
»Keine Wette.« Volog riss den Brief auf und überflog den Inhalt. »Hah! Es scheint, als ob nicht nur Saumer, sondern auch Pimantal von Fessenden seine Meinung geändert hat. Kiele beichtet jedem, der ihr zuhört. Sie hat von Masul gehört und ihn nach Waes gebracht. Sie hat seine Geschichte geglaubt und ihm Roelstras Eigenarten beigebracht, um die zufällige Ähnlichkeit zu verstärken. Sie hat ihn angefleht, den Lichtläufer nicht zu töten, und so weiter und so fort. Ich bezweifle, dass irgendetwas davon Lord Andry sonderlich beeindrucken wird. Aber ich finde das sehr klug gedacht von Saumer und Pimantal, muss ich sagen.«
»Besonders was Pimantal betrifft, nachdem inzwischen Gerüchte über Lleyns Enkel und Firon durch das ganze Lager gehen. Volog, ich muss Euch um etwas bitten. Wenn Pimantal öffentlich seinen Meinungsumschwung bekannt gibt, dann tretet mich, wenn ich ihm ins Gesicht lache.«
Volog grinste. »Einverstanden, wenn Ihr mit mir dasselbe tut. Rohan hat jetzt auf jeden Fall seine Mehrheit.«
»Schwacher Trost.«
»Allerdings.« Volog zögerte und fragte dann: »Davvi, was wisst Ihr eigentlich über den Herrn von Skybowl?«
Falls Davvi überrascht war, so zeigte er es nicht. »Ein guter Mann, auf jeden Fall. Er hat seine Jugend mit Sioned an der Schule der Göttin verbracht und sogar eine Lichtläuferin geheiratet, wenn er selbst auch keiner von ihnen ist. Ihr habt gesehen, was für einen prächtigen Sohn er hat.«
»Mhm. Lord Ostvel hat mir sehr mit Alasen geholfen. Ich würde gern etwas für ihn tun, wenn er es zulässt.«
»Das bezweifle ich. Aber wenn Ihr Euch an Rohan und Sioned wendet, werden sie schon einen Weg dafür finden.«
»Den Rat nehme ich gern an, Vetter.«
Durch reine Willenskraft und die Entschlossenheit, sich nicht von dem bohrenden Schmerz in seinem Kopf überwältigen zu lassen, kam Urival aus dem Bett. Er verließ sein Zelt und lief los.
Die letzten Tagen waren ein Albtraum gewesen, und jeder, der seinen Verstand beisammen hatte, ruhte jetzt. Er aber hatte schon vor langer Zeit zugegeben, dass er manchmal wenig auf seinen Verstand gab. Deshalb ging er über die Brücke und lief dann an dem ruhigen Faolain entlang auf den Kampfplatz zu.
Er war sich ziemlich sicher, was passiert war. Die beiden Toten, die es außer Masul gegeben hatte, und das Brennen seiner eigenen Ringe hatten ihm viel verraten. Er blieb einen Moment stehen, als er das Feld vor sich liegen sah, und dachte darüber nach, wie er sie gefunden hatte: Pandsala, die mit dunklen Augen blicklos in die Wolken starrte, der gefallene Sejast mit dem Messer im Rücken und Hollis, die mit hängendem Kopf danebensaß und sich mit einer Hand aufstützte. Urival hatte sich schnell umgeschaut, doch niemand hatte zu
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