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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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zischte.
    »Walvis«, flüsterte Sioned, »ich könnte schwören, sie machen sich über ihn lustig.«
    »Ich dachte dasselbe. Haben Drachen einen Sinn für Humor?« Er legte seiner Tochter eine Hand auf die Schulter, als sie sich neben ihm bewegte. »Nein, du darfst nicht näher herangehen«, sagte er nachdrücklich.
    »Aber sie tun mir nichts! Sie sind so schön!«
    »Und ihre Zähne sind so lang wie dein halber Arm. Wir sehen von hier aus zu und können nur hoffen, dass sie friedlich bleiben.« Er warf Sioned einen besorgten Blick zu, denn er wusste, was sie dachte. Sie mussten ruhig bleiben und durften die Drachen nicht auf sich aufmerksam machen, denn es gab unzählige Geschichten über Leute, die auf der Flucht vor den Drachen von diesen gepackt worden waren.
    Sionell wand sich. »Sie sind schon satt, Papa. Guck dir doch ihre Bäuche an.«
    Sie hatte recht. Die normalerweise schlanken Bäuche waren gut gewölbt, und ein paar Drachen unterbrachen das Trinken, um zu rülpsen. Sioned fragte sich, wie viele Schafe und Ziegen der Schwarm wohl vertilgt hatte, und nahm sich fest vor, Rohan zu fragen, ob man nicht Herden speziell für die Drachen züchten könnte.
    Als ihr Durst gestillt war, schwangen sich einige Drachen wieder in die Luft. Sie flogen in schwindelerregende Höhen, legten dann die Flügel an und schossen im Sturzflug ins Wasser. Sie tauchten, tollten herum, bespritzten einander mit Wasser und riefen nach den anderen am Ufer – genau wie spielende Kinder.
    »Siehst du?«, meinte Sionell. »Sie würden niemandem etwas tun. Außerdem«, fügte sie gewitzt hinzu, »bin ich keine Prinzessin. Jeder weiß, dass Drachen am liebsten Prinzessinnen fressen.«
    »Sei still«, sagte Walvis und hielt ihre Schulter noch fester.
    Sioned sah ihren Sohn an. Er war hingerissen, und aus seinen Augen sprach dieselbe Liebe, wie sie sich auf dem Gesicht seines Vaters malte, wenn Drachen in der Nähe waren. Das Gold war beiden nicht wichtig; sie liebten die Drachen als Teil der Wüste, als Teil ihres Blutes.
    Irgendwann kletterten die Tiere aus dem Wasser und legten sich in die Sonne. Sioned bewunderte die vielen Farbschattierungen der wasserglänzenden Häute. Jeder Drache hatte eine andere Farbe. Ein rötliches, kleineres Weibchen fiel ihr auf, das diamantene Tropfen von den Flügeln abschüttelte. Sioned beobachtete es einen Moment lang und fragte sich, ob sie es wagen sollte. Drachen hatten ganz entschieden einen Sinn für Humor, und sie war sich sicher, dass sie Gedankenfarben hatten. Sie wob ein paar Sonnenstrahlen zusammen und sandte den seidenen, goldenen Faden vorsichtig zu dem kleinen Drachenweibchen hinüber.
    Das Tier bog den Hals, breitete seine Flügel mit den zarten, goldenen Unterseiten aus und schüttelte den Kopf, um das Wasser aus den Augen zu bekommen, das ihm immer noch über das Gesicht rann. Es wandte fragend den Kopf, zog die Schultern zusammen und legte die Flügel wieder an den Körper an. Sioned zeigte ihre eigenen Farben – Smaragd, Saphir, Onyx und Bernstein – und ihr Muster, das sie so gut kannte. Das Drachenweibchen warf den Kopf hin und her und schüttelte sich, sodass Tröpfchen herumspritzten. Sioned näherte sich mit ihren Farben, und die Kleine gab erschauernd ein Wimmern von sich.
    Mit einem Mal zerbarst das Sonnenlicht zu einem bunten Regenbogen. Sioned schrie auf, und gleichzeitig warf das Drachenweibchen mit einem Entsetzensschrei den Kopf zurück. Alle anderen Drachen stiegen sofort auf und flohen unter Angstgeschrei und Warnrufen.
    »Mutter!«
    Pol versuchte, Sioned aufzufangen, als sie zusammenbrach. Auch Walvis und Sionell waren zur Stelle. Sioned atmete stoßweise. Sie zitterte am ganzen Körper vor Schreck, brachte jedoch ein schwaches Lächeln für ihren Sohn zu Stande, aus dessen Gesicht alle Farbe gewichen war.
    »Es geht mir gut«, flüsterte sie.
    »Den Drachen nicht«, antwortete Walvis finster, »hört nur.«
    Wilde Klänge drangen von dem Haufen dunkler Schatten am Himmel zu ihnen herunter. Sioned setzte sich mühsam auf und sagte kläglich: »Ich war zu plump. Ich habe sie erschreckt.«
    »Wovon redet Ihr eigentlich?«, wollte Walvis wissen. »Herrin, was habt Ihr getan?«
    Pol, der neben ihr kniete, antwortete: »Sie hat einen Drachen über das Sonnenlicht berührt.«
    »Was hast du getan?«
    Rohans Augen blitzten seine Frau an, die ungerührt dasaß und Eistee schlürfte, als wäre sie gerade von einem nachmittäglichen Spaziergang um den See zurück.
    »Hör bitte

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