Mondmädchen
gedacht hatte, er könnte eines Tages wieder mit Iotape vereint sein. Und zugleich hatte er mit derselben Ungläubigkeit auf meine Pläne mit Marcellus reagiert. Hatte er recht? Machte ich mir etwas vor?
Ich schüttelte den Kopf, was Zosima zu einem ärgerlichen Schnauben veranlasste, als der Kamm aus meinen Haaren herausrutschte. Das hier war anders. Im Gegensatz zu Mutter würde ich als Unterstützung eine stabile Basis innerhalb von Rom aufbauen und nicht nur von Ägypten aus agieren. Mit Marcellus hatte ich eine echte Chance, auf den Verlauf unserer Zukunft Einfluss zu nehmen, auf Ägyptens Zukunft. Es wäre dumm von mir, diese Chance nicht zu nutzen.
Und wenn ich wollte, dass andere mich als die mögliche Königin von Ägypten wahrnahmen, dann musste ich auch so aussehen und mich so benehmen – weswegen ich mir nun so viel Mühe mit meiner Erscheinung gab. Das Festmahl zu Octavians Abschied war ein guter Zeitpunkt, damit zu beginnen. Denn selbst wenn er an meinem ägyptischen Gewand Anstoß nehmen sollte, so konnte er doch nichts mehr dagegen unternehmen, weil er noch vor Sonnenaufgang nach Iberien aufbrechen würde.
Zosima türmte meine Locken zu einer Hochsteckfrisur auf und ließ nur ein paar lose Strähnen am Hals herabfallen. Sie wand goldene Bänder in mein Haar und hängte mir ein kleines Paar von Mutters Smaragden in die Ohren.
»Schminke mich mit Kajal«, wies ich sie an.
Sie zögerte. »Bist du sicher?«
Ich blickte sie an. Sie fragte nicht noch einmal.
Nachdem der Kajal getrocknet war, kramte Zosima in unserer alten Truhe herum und holte ein kleines Fläschchen aus Alabaster hervor. »Ah«, sagte sie. »Hier ist es.«
»Was ist das?«, fragte ich.
Sie nahm einen kleinen Pinsel und tunkte ihn in das Fläschchen. »Goldpuder.«
»Was?«
»Die Priester heben es für die heiligsten Feierlichkeiten zu Ehren des Ra auf. Es gibt dir den ganz besonderen Schutz des Gottes, so als würde das Licht der Sonne von deiner Haut strahlen.«
Ich schloss die Augen, während sie den Puder über meine Wangen strich, zwischen meine Brüste und in die Vertiefung an meinem Hals, auf meine Schultern. Mich durchlief ein Schauer, als ich an die sanften Küsse von Juba an diesen Stellen dachte … Ich riss die Augen auf. Nein. Marcellus’ Mund. Marcellus.
Marcellus war meine Zukunft, nicht Juba, ermahnte ich mich selbst. So sehr es mich geschmerzt hatte, sein Angebot abzulehnen, ich musste doch meine Pläne für Ägypten weiterverfolgen. Ich wusste: Mutter hätte dasselbe getan.
Ich wartete bis zum letzten Augenblick, bevor ich das Triclinium betrat. Alle hatten bereits ihre Plätze eingenommen und die Lampen waren angezündet. Mit hoch erhobenem Kopf ging ich hinein. Ich sagte nichts. Das brauchte ich auch nicht. Alle Gespräche verstummten, während ich zu meinem Platz neben meinem Zwillingsbruder am äußeren Rand des Kreises ging. Ich warf einen Blick auf die Liege in der Mitte. Octavian musterte mich von Kopf bis Fuß. Livia hatte eine Augenbraue in die Höhe gezogen. Octavia wurde blass.
Obwohl ich die Aufmerksamkeit auf mich als Prinzessin von Ägypten lenken wollte, so schwankte ich doch angesichts von Octavias Missfallen. Sie mochte keinen Streit. Ich sandte ein kleines Lächeln der Entschuldigung zu ihr hinüber.
Zu beiden Seiten der zentralen Liege saßen Octavians engste Freunde – Agrippa, Maecenas, Vergil und Horaz. Agrippa machte wie immer ein finsteres Gesicht, doch Maecenas’ Augen glitzerten bei meinem Anblick. Vergil schien sich eher für Octavians Reaktion zu interessieren und beobachtete stattdessen ihn. Horaz grinste und zwinkerte mir zu.
Langsam ließ ich mich nieder, dann lächelte ich. »Ich bitte um Entschuldigung für meine Verspätung«, sagte ich.
»Du siehst aus wie … wie eine Königin!«, sagte Tonia aufgeregt. Ich lächelte sie an trotz des Stiches, den es mir immer wieder gab, wenn ich in ihr hübsches rundes Gesicht sah. Auch Ptoli wäre jetzt fast zwölf Jahre alt gewesen.
Julia, die bei Marcellus und Juba saß, blickte mich mit zusammengekniffenen Augen an und verzog dann das Gesicht zu einem Grinsen. Sie stand selbst gerne im Zentrum der Aufmerksamkeit, doch es gefiel ihr noch viel besser, ihren Vater zu ärgern. Und sie konnte sehen, dass ich genau das soeben getan hatte. Jubas Gesichtsaudruck war undurchschaubar. Doch dann ließ ich den Blick zu Marcellus hinüberschweifen und sah, dass er mich mit den Augen geradezu verschlang. Als sich unsere Blicke trafen,
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