Mondmilchgubel Kriminalroman
Uhr?«
Ein wohliger Schauder erfasst sie.
»Sind sie immer so hartnäckig, Frau Jung?«
»Nein. Meistens lohnt sich Hartnäckigkeit nicht.«
»Ich nehme das als Kompliment.«
Sie schaut ihm geradeaus ins Gesicht und lächelt.
»Trotzdem muss ich heute Abend noch fahren. Für einen Polizisten gehört es sich nicht, angetrunken am Steuer zu sitzen.«
»Sie brauchen doch nur Ihren Ausweis zu zücken oder das Blaulicht zu montieren, und schon ist alles in bester Ordnung.«
»Sie haben vielleicht Vorstellungen. Trunkenheit am Steuer kann mich den Job kosten.«
»Es gibt oben ein hübsches Gästezimmer.«
»Das wird nicht nötig sein. Das Essen schmeckt übrigens ausgezeichnet.«
»Es ist schön, dass Sie mir Gesellschaft leisten.«
Er nickt.
Seine Zurückhaltung verunsichert sie. »Wann ist der Eierkari aufgewacht?«
»Gestern Nacht.«
»Und?«
»Er kann sich wieder erinnern.«
Sie klatscht vor Freude in die Hände. »Wie hat sein Vater auf die gute Nachricht reagiert?«
»Mit großer Erleichterung. Wenn es mit dem jungen Honegger weiterhin bergauf geht, kann er Ende der Woche nach Hause.«
»Wie schön. Wann werden Sie ihn vernehmen?«
»Sobald sein Arzt es erlaubt.«
»Erinnert er sich an den Unfall?«
»Teilweise.«
»Er besitzt ein gutes Zahlengedächtnis. Vielleicht konnte er sich die Autonummer merken?«
»Das wird sich weisen«, erwidert er knapp.
»Ich bin zuversichtlich, dass wir bald wissen werden, wer Iris getötet hat. Dann können Sie den Fall endlich abschließen.«
»Vielleicht werden Sie mein nächster Fall?« Der Schalk lässt seine Augen aufblitzen.
Lust und Furcht durchzucken Viktoria gleichzeitig. Verlegen steht sie auf und trägt das Geschirr zur Spüle. Er folgt ihr mit dem restlichen Geschirr. Sie genießt seine Nähe. »Übrigens bin ich heute auf dem Friedhof Edelmann begegnet. Ich traue diesem Kerl nicht.«
»Misstrauen Sie allen Männern?«
»Den meisten.«
»Mein Dienst ist zu Ende.«
»Na endlich. Dann lassen Sie uns auf Kari anstoßen.« Viktoria kommt auf die Abdankung zu sprechen. »Der Gesang ging mir unter die Haut. Wie ich gehört habe, geizte Kuno auch nicht beim Leichenmahl. Trotzdem kam mir das Ganze etwas übertrieben vor.«
»Glauben Sie immer noch, dass Brunner seine Frau getötet hat?«
»Inzwischen tippe ich eher auf Edelmann. Darf ich Sie etwas Persönliches fragen?«
»Wenn es unbedingt sein muss.«
»Sind Sie verheiratet?«
Er trinkt bedächtig einen weiteren Schluck Wein, bevor er die Frage verneint.
»Waren Sie verheiratet?«
»Ja. Nach 15 Jahre hat mich meine Exfrau für einen anderen verlassen.«
»Haben Sie eine Freundin?«
»Nein. Keine Frau hält es lange mit mir aus.«
Sie schenkt ihm Wein nach. »Na ja, wer will schon einen Kriminalpolizisten.«
»Ich habe das seltsame Gefühl, dass Ihre Fragen zu einem Verhör ausarten. Darf ich wenigstens meine kugelsichere Weste aus dem Auto holen?«
»Die würde Ihnen wenig nützen.«
»Übrigens ein guter Wein.«
»Sage ich doch.«
»Ich befürchte, dass Sie nicht eher Ruhe geben, bis Sie alles aus mir herausgequetscht haben.«
»Ich sehe, wir verstehen uns.«
»Also gut.« Möller holt Anlauf. »55 Jahre alt, 1,85 Meter groß.«
»Und weiter?«
Er schneidet eine Grimasse. »Geschieden, kinderlos, heterosexuell, aufgewachsen in Zürich-Oerlikon, zurzeit wohnhaft im 23. Stock.«
»Ist das alles?«
»Ich finde, dass Ausfragen eine heimtückische Form von Empathie ist.«
»Inwiefern?«
»Weil man sich damit automatisch in die Hände des andern begibt.«
»Sie fragen doch auch laufend Leute aus.«
»In meinem Fall geht es um die Aufklärung eines Verbrechens, nicht um persönliche Neugier.«
»Trotzdem würde ich gern mehr über Sie erfahren.«
»Also gut. Ich mag Jazzmusik, Berge, Vulkane, die Natur ganz allgemein. Ich lese gern, am liebsten Tatsachenberichte und Fachliteratur. Taktlosigkeit und Ignoranz kann ich nicht ausstehen. Was noch? Ach ja, rechthaberische Menschen gehen mir auf die Nerven. Den kulinarischen Genüssen bin ich sehr zugetan, was Ihnen sicher nicht entgangen ist. Ich habe seit zwei Jahren keinen Sex mehr gehabt, was ich sehr bedaure. Und da gibt es eine jüngere Schwester, die sich mütterlich um mich sorgt, und die es sich in den Kopf gesetzt hat, mich zu verkuppeln. Zufrieden?«
»Kompliment, Herr Kriminalpolizist, eine solch aufschlussreiche Zusammenfassung hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Kaum zu glauben, wie schnell der Rioja bei Ihnen
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