Mondnacht - Mordnacht
fremde Männerstimme fragte es, und Simone drehte sich.
Da stand er. Der Macho schlechthin. Er trug eine Hose aus Leder, ein dunkles Hemd, das natürlich weit aufgeknöpft war, und eine helle Jacke.
Natürlich wuchsen die schwarzen, öligen Haare bis tief in den Nacken, wo sie sich noch wellten. Das Gesicht zeigte eine Bräune, die mit Sicherheit von der Sonnenbank stammte.
Der Kerl machte einen auf stark. Er glaubte, daß er jede kriegen konnte, zumindest seiner Meinung nach, und so schaute er Simone auch an. Mit den Blicken zog er sie aus.
»Und?« fragte sie.
»Irre Weste.«
»Wieso?«
Er tippte gegen die Brüste, wobei er ›natürlich‹ die beiden Wölfe meinte. »Hier, diese Dinger.«
»Ich liebe Wölfe.«
»Ich auch.«
»Das sagst du nur so.«
»Nein, es kommt immer darauf an, wer sie trägt. Starke Frauen, zum Beispiel.« Sein Lächeln war mokant und provozierend.
Simone gab darauf noch keine Antwort. Statt dessen drehte sie sich um und faßte nach der Coladose, die feucht und eiskalt war. Sie mußte noch die Lasche aufreißen, trank einen Schluck, legte Geld in die lockende Hand des Keepers und nahm den ersten Schluck.
Ihre Kehle war wie ausgedörrt. Sie hatte den Eindruck, als würde es zischen, als die Cola hineinrann. »Du hast einen guten Schluck, Wölfin.«
»Das weiß ich selbst.«
»Und was machen wir jetzt?«
Simone schaute den Macho schräg an. »Was du tust, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß ich nicht auf die Tanzfläche gehe und mich verrenke.«
»Absolut geil«, lobte er sie. »Ich habe nämlich auch keine Lust. Da haben wir uns ja gesucht und gefunden. Ich bin übrigens Vincent – Vincent Slade.«
»Wie nett!«
»Hast du auch einen Namen?«
Spöttisch fragte Simone: »Warum willst du ihn wissen?«
»Wir funken doch auf einer Wellenlänge.«
»Das sagst du. Aber egal. Ich heiße Simone.«
»Starker Name.«
»Und jetzt?« fragte sie, weil der gute Vincent zunächst einmal das Schweigen vorzog. »Sind dir die Worte ausgegangen?«
»Nein. Ich denke nur nach.«
»Das kannst du auch?«
»Schon vergessen.« Er winkte dem Keeper. »Ich brauche einen kräftigen Schluck.«
»Rum oder…?«
»Nein, Rum ist gut. Mach daraus einen Zombie.«
Simone pfiff durch die Zähne. »Zombie?« wiederholte sie.
»Ja, ein Superschluck, aber den kennen nur Eingeweihte. Viel Rum, wenig Orangensaft. Wenn du drei davon getrunken hast, glaubst du, selbst ein Zombie zu sein.«
»Darauf kann ich verzichten.«
Slade bekam sein Glas. Es war ein mit Rum und Orangensaft gefüllter Kelch. Slade leerte ihn zur Hälfte mit einem Schluck. »Das war eine Wohltat«, behauptete er.
»Glaube ich dir. Wie viele davon willst du denn noch trinken?« Slade wischte über seine Lippen. Bevor er die Antwort gab, zahlte er.
»Das kommt auf dich an!«
»Warum auf mich?«
»Wie lange wir hierbleiben.«
Simone frohlockte, aber nur innerlich. Nach außen blieb sie cool. Das lief besser, als sie gedacht hatte. Möglichst neutral fragte sie: »Du willst weg?«
»Nur mit dir.«
Sie lächelte schief. »Und wohin?«
»Das darfst du bestimmen.«
Simone senkte den Blick. Gedankenverloren strich sie dabei über das Wolfsmuster ihrer Weste, bevor sie murmelte: »Ob es in dem Wald hinter der Halle auch Wölfe gibt?«
Der Macho hatte verstanden. Er leckte über seine Lippen. »Wir könnten nachschauen.«
»Nicht schlecht, die Idee…«
»Aber?«
»Genau das ist das Problem. Ich bin mit dem Bus gekommen…«
Slade lachte. »Das ist ein schlechter Witz. Du brauchst keinen Wagen, den habe ich.«
»Na denn.«
»Kommst du mit?«
»Und wann?«
Er trat dicht an sie heran. Sein Rasierwasser roch nach Zitrone.
»Sofort?«
»Ich habe nichts dagegen.« Slade war happy…
***
Der Macho fuhr einen Opel Tigra, und er hatte ihn in einem Bogen um den Parkplatz herumgelenkt, um den Weg zu erreichen, der geradewegs auf den Wald zuführte. Der Asphalt hörte sehr bald auf. Übergangslos ging er in den Feldweg hinein. Der wiederum schien in ein gewaltiges und düsteres Loch zu führen, so finster lag der Wald vor ihnen. Die Lichter der Scheinwerfer tanzten über eine Strecke, die von zahlreichen Reifenspuren zerfurcht war. Ein Beweis dafür, daß dieser Weg bei den Besuchern der Disco wohl bekannt war.
Über dem Wald stand der Mond wie ein helles, alles überwachendes Auge. Er glotzte auf die Erde nieder, verteilte seinen Schein und drang auch in den leichten Dunst hinein, so daß er manchmal aussah wie eine hellere
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