Mondnacht - Mordnacht
sind und aussehen wir Krallen.«
»Sagt das der Arzt auch?«
»Nein, Kollege, das sage ich. Aber der Arzt kann sich ja auch mal irren.«
»Wo finden wir denn diese Disco?« erkundigte ich mich.
»Nicht weit von Waltham entfernt, im Industriegebiet.«
»Wollen Sie etwas hinfahren?«
»Mal schauen.«
»Das ist Ihr Problem, aber wir bleiben trotzdem dran.«
»Noch eine Sache, Mr. Dobson. Haben die befragten Zeugen die junge Frau so gut beschrieben, daß man eine Zeichnung hätte anfertigen können?«
»Ja, schon. Ist auch ganz gut geworden, aber wir haben sie nicht zur Fahndung freigegeben. Dazu bestand kein Anlaß. So verdächtig war sie auch nicht.«
»Wo könnten wir uns eine Kopie abholen?«
»Warten Sie, ich habe noch ein paar im Haus.« Er nickte uns zu und verschwand. »Netter Kollege«, sagte Suko. »Realist.«
»Glaubst du an den Werwolf?«
Ich schaute über die Straße hinweg, die in einer ruhigen Wohngegend lag. »Ich weiß es nicht. Wir dürfen es nicht ausschließen. Es könnte aber durchaus eine Wölfin sein, nicht unbedingt ein männliches Wesen.«
»Weit gedacht.«
Dobson kehrte zurück. In seiner rechten Hand schwenkte er eine Fotokopie. »So, die kann ich Ihnen gern überlassen. Wie gesagt, meine Leute sind noch nicht losgezogen, weil wir uns einfach nicht vorstellen können, daß der Mann durch die Hand einer derartigen Frau ums Leben gekommen ist. Ich werde jetzt weitermachen hier im Garten. Die seltenen freien Tage sollte man nutzen. Ich muß auch noch umgraben.«
»Dann geben Sie acht, daß Sie nicht zum Killer werden, Kollege.«
»Wie meinen Sie das denn?« Er schaute mich verständnislos an.
»Auch Würmer sind Lebewesen. Und wer möchte schon gern in zwei Hälften geteilt werden.«
»Witzig, sehr witzig.«
»Schönen Tag noch!« wünschten wir Dobson und gingen zurück zu unserem Wagen.
Daß wir noch das Wort Spinner gehört hatten, konnte zutreffen, aber sicher waren wir uns da nicht…
***
In den Tagen nach der Bluttat waren Mutter und Tochter praktisch immer zusammen gewesen. Das gleiche galt auch für die Nächte, aber sie hatten über ein bestimmtes Thema wenig gesprochen.
Nur immer dann, wenn sich die Dunkelheit über das Land gelegt hatte, war Simone an das Fenster getreten, hatte nach draußen geschaut und davon gesprochen, daß der Mond allmählich abnahm.
»Das ist der Lauf der Welt«, hatte ihre Mutter gesagt.
»Ja, ich weiß. Aber ich muß noch mal raus!«
Nach diesem Satz hatte Dinah ihre Tochter lange und sehr scharf angeschaut. Sie erkannte in den Augen der jungen Frau die Unruhe. Sie wußte, daß ihr Blut wieder kochte, und sie wußte auch, daß sie Simone nicht abhalten konnte.
Dennoch fühlte sie sich Simone gegenüber verantwortlich. Da hatte sich auch in den letzten zwanzig Jahren nichts geändert. »Wenn du gehen willst, und das wirst du ja«, sagte sie, »dann würde ich gern an deiner Seite sein, Simone. Kannst du das verstehen?«
»Ja, Mummy.«
»Und?«
»Ich will es bitte nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich muß es allein durchziehen.«
»Es steckt tief in dir, wie?«
»Ja.«
Dinah Hutton seufzte auf. »Ich habe dich ja nie nach den Gründen gefragt, Simone, aber du kannst dir vorstellen, daß sie mir auf der Seele brennen.«
»Sicher.«
»Deshalb möchte ich dir heute abend die Frage stellen. Nicht nur aus Neugierde, auch aus Sorge um dich. Weißt du, weshalb du so anders bist? Kennst du die Ursachen?«
»Ich kenne sie vielleicht.«
»Möchtest du überhaupt darüber sprechen?«
Simone schaute auf ihre zusammengelegten Hände. »Das weiß ich nicht so genau«, murmelte sie. »Es ist alles so unnatürlich und mit normalen Worten nicht zu erfassen.«
»Aber du hast dir sicherlich darüber Gedanken gemacht?«
»Das schon.«
»Und?«
»Es muß mit meinem Vater zusammenhängen. Ich habe einen Vater gehabt, jeder hat einen Vater, und…«
»Entschuldige, daß ich dich unterbreche. Aber kann es nicht auch deine Mutter gewesen sein?«
»Nein.«
»Was befähigt dich zu dieser Antwort?«
»Ich weiß es genau. Ich spüre es. Das ist kein Erbe meiner Mutter, da steckt mein Vater dahinter.«
»Wenn du das so sagst, muß ich es akzeptieren. Hast du auch darüber nachgedacht, wer dein Vater ist oder sein könnte?«
»Kein Mensch.«
»Ein Wolf?«
Simone preßte die Lippen zusammen. »Ja, ein Wolf, aber ein bestimmter. Das weiß ich sehr genau, denn ich habe ihn einige Male schon gesehen. Du ebenfalls.«
»Den Schatten am
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