Mondnacht - Mordnacht
sie von einem Wolf stammen. Haben Sie das Tier gesehen?«
»Ha!« sagte er und hob eine Hand. »Ich wußte, daß Sie mir diese Frage stellen würden. Aber ich kann sie Ihnen leider nicht positiv beantworten. Ich habe keinen Wolf gesehen. Ich habe nur dieses Heulen gehört und aufgenommen.«
»Waren Sie denn weit vom Ort des Geschehens entfernt?« erkundigte sich Suko.
»Das ist schwer zu sagen. Sie wissen sicherlich selbst, wie sich in der Dunkelheit gewisse Entfernungen verzerren. Dazu kann ich wirklich keine genauen Angaben machen. Es tut mir leid.« Er hob die Schultern.
»Wenn ich ehrlich sein soll, dann habe ich mich auch ein wenig gefürchtet, denn so etwas zu hören, war schlimm für mich.«
»Das glauben wir Ihnen gern.«
»Es gibt keine Wölfe hier, um noch einmal auf das Thema zurückzukommen.«
»Wer hat dann geheult?« fragte ich.
»Genau das ist das Problem. Oder Ihr Problem, Mr. Sinclair. Ich weiß es nicht, aber ich habe herausgefunden, daß Sie sich beide mit gewissen Phänomenen beschäftigen.«
»Das stimmt«, gab ich zu. »Da Sie schon einmal hier sind, könnte ich mir vorstellen, daß Sie sich trotzdem Ihre Gedanken gemacht haben und auch zu gewissen Schlußfolgerungen gekommen sind. Oder liege ich da falsch?«
Der Ornithologe errötete ein wenig. »Nein, da liegen Sie nicht falsch, Mr. Sinclair. Mal vorab erwähnt, ich stehe gewissen Dingen skeptisch gegenüber, glaube im Prinzip nicht an Werwölfe und will mich hier auf keinen Fall lächerlich machen…«
»Das machen Sie sich auch nicht«, sprach ich ihm Mut zu.
»Danke. Also«, er nickte, »Werwölfe. Daran habe ich nicht geglaubt, aber trotzdem bin ich mir nicht mehr sicher.« Wieder deutete er auf seinen Rekorder. »Nicht wegen des Heulens hier, da ist nämlich noch etwas in dieser fraglichen Nacht passiert.«
»Was denn?«
»Ein Mord!«
»Bitte?«
Klingman nickte, schluckte und holte Luft. »Sie werden es nicht für möglich halten, es ist in dieser Nacht eine schreckliche Bluttat geschehen. Man hat am anderen Tag die Leiche des Mannes gefunden. Waldarbeiter stießen auf den Wagen, in dem der völlig zerfetzte und blutüberströmte Körper lag. Der Leichnam eines jungen Mannes. Ich erfuhr es durch die örtliche Presse. Da machte es bei mir klick, und ich zählte eins und eins zusammen.«
»Das Ergebnis lautete: Werwolf!« sagte Suko.
»Ja. Obwohl ich daran noch immer nicht glauben kann. Aber ich bin mir unsicher geworden. Ich habe mich auch mit dem Chef der Mordkommission in Verbindung gesetzt und mit ihm über meinen Verdacht gesprochen, aber er hat mich, wie Sie sich denken können, abblitzen lassen und mich dann zu Ihnen geschickt.«
»Das war gut«, sägte ich.
»Klar, jetzt, aber wenn Sie Ihren Kollegen erlebt hätten, kann ich nur den Kopf schütteln. Der zweifelte aufgrund meiner Aussage an meinem Verstand.«
»Das müssen Sie wegstecken«, sagte Suko. »Wie hieß der Kollege denn?«
»Dobson.«
Suko kannte ihn nicht, und auch mir war der Name unbekannt. Aber wir würden ihn kennenlernen, da waren wir uns sicher.
»Wissen Sie den Namen des Toten?«, fragte ich.
»Nein, nicht mal den Namen weiß ich. Die Polizei war nicht sehr kooperativ.«
»Das wird sich dann bei uns wohl ändern«, erklärte ich und nickte ihm zu. »Jedenfalls haben Sie das Richtige getan, Dr. Klingman. Noch einmal, danke.«
Er stand noch nicht auf. Dafür fragte er: »Soll das heißen, daß Sie mir glauben?«
»Natürlich.«
»Ha.« Er lachte laut und scharf. »Das ist wirklich ein Hammer. Wunderbar, danke. Dann weiß ich den Fall ja in guten Händen. Wie gesagt, schauen Sie sich dort um.«
»Machen wir. Zunächst aber reden wir mit unserem Kollegen Dobson. Ich gehe davon aus, daß er uns einiges zu sagen hat.«
»Ich wünsche es Ihnen.« Klingman erhob sich. Er hatte die Stirn gerunzelt und schaute zu Boden. »Nein, ich wünsche es nicht nur Ihnen, ich wünsche es uns allen. Wenn unsere Ahnungen tatsächlich zutreffen, dann darf eine derartige Bestie auf keinen Fall frei herumlaufen, denke ich mir.«
»Das können wir nur unterstreichen.« Ich brachte den Ornithologen noch zur Tür, nachdem er sich von Suko verabschiedet hatte. Im Gang blieb er noch einmal stehen und atmete tief durch.
»Wissen Sie was, Mr. Sinclair?«
»Leider nein.«
»Jetzt geht es mir besser. Ich wurde nicht ausgelacht und weiß den Fall in kompetenten Händen.«
»Wir werden tun, was wir können.«
»Viel Glück!«
Dr. Klingman ging auf den Fahrstuhl zu,
Weitere Kostenlose Bücher