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Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Titel: Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halo Summer
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Fall würde sie für immer ein Vogel bleiben. Doch das war vielleicht erträglicher, als für immer Lisandra zu bleiben. Sie erinnerte sich daran, wie sie als Kröte durch die Festung gehüpft war. Ihr war leichter ums Herz gewesen als jetzt. Die Bedeutung aller Dinge hatte während dem Krötendasein ihre Schwere verloren. Danach – nach diesem Gefühl – sehnte sich Lisandra in diesem Augenblick. Sie wollte lieber ein Vogel sein als ein Mensch, selbst wenn es ein verlorener Vogel war. Vielleicht würde sie das silberne Nichts auf diese Weise finden. Vielleicht auch nicht. Gerade war ihr das fast egal. Hauptsache, der Winter ging nicht vorbei. Nicht jetzt, nicht heute und nicht ohne die dritte silberne Lektion.
     
    Wie wenig sie dieses Talent im Griff hatte, wurde ihr klar, als sie sich im Schnee wiederfand, auf kleinen, dünnen Beinen mit den nervösen Augen eines Vogels. Sie hatte vorgehabt, ein größerer Vogel zu werden, ein Habicht vielleicht oder ein Turmfalke. Das war misslungen. Sie war kleiner geraten als eine Amsel und war auf einmal sehr eingeschüchtert. Im dichten Schneegestöber konnte sie kaum etwas sehen. Wenn jetzt eine Katze auf der Lauer lag und plötzlich lossprang, würde nicht viel von Lisandra übrig bleiben.
    Sie versuchte spontan, die Verwandlung rückgängig zu machen. Einen Moment lang fühlte es sich tatsächlich so an, als würde sie sich in einen Menschen zurückverwandeln. Doch der Moment verstrich und Lisandra blieb klein. Sie hatte nicht übertrieben, als sie Haul von ihrem fehlerhaften Talent erzählt hatte. Dieses Talent gehörte ihr nicht. Sie gehörte dem Talent und war ihm ausgeliefert.
    Ratlos legte der Vogel, der Lisandra jetzt war, den Kopf zur Seite und starrte mit einem Auge in die unablässig fallenden Schneeflocken. Was tun? Ihr wurde klar, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Wer würde sie finden und zurückverwandeln? Hanns! Hanns könnte es tun, denn er konnte Zauber sehen. Vielleicht würde er sehen, dass sie kein gewöhnlicher Vogel war. Sie beschloss, zu ihm zu fliegen.
    Lisandra tat, was sie immer getan hatte, wenn sie losfliegen wollte: Eine Aufregung rannte durch ihren Körper und die brachte sie normalerweise dazu, abzuheben. Es ging von alleine, ihre Flügel wussten, was zu tun war. Doch diesmal nicht. Die Flügel zuckten nur und Lisandra machte einen hilflosen Hüpfer. Sie konnte nicht fliegen! Sie verstand nicht, warum das so war, und machte einen weiteren Versuch. Und noch einen. Doch es gelang ihr kaum, ihre Vogelfüße vom Schnee zu lösen. Es war, als ob eine unsichtbare Macht sie zu Boden drückte. Schaute sie sich aber nach allen Seiten um, sah sie nichts außer Schnee. Eine weiße, ungewisse Hölle.
    Da sie nicht fliegen konnte, wollte sie laufen, denn das war möglich. Mit ihren zierlichen Vogelbeinen überwand erte sie eine Schneewehe nach der anderen und legte , wie ihr schien, eine endlos weite Strecke zurück , nur um irgendwann festzustellen, dass sie sich im kahlen Tal der beseelten Bäume befand. Auf diese Weise würde sie Stunden brauchen, um die Festung zu erreichen. Doch was blieb ihr anderes übrig? Sie sah sich mal wieder nach allen Seiten um, ohne große Hoffnung, dass sie plötzlich auftauchenden Feinden auf diese Weise entkommen könnte, und ging weiter, einen winzigen Schritt und noch einen winzigen Schritt.
    Es war so anstrengend, dass sie außer ängstlich angespannter Aufmerksamkeit fast gar nichts mehr verspürte. Sie dachte nichts mehr, sie haderte auch nicht mehr mit ihrer Dummheit und ihrem Leichtsinn, sondern kämpfte sich voran in der Hoffnung, dass sie niemandes Beute wurde und sich nicht verlief. Denn den Schulgarten im Schneegestöber zu durchqueren, unmittelbar über der Schneeoberfläche, und keinen Schritt weit schauen zu können, machte es nicht gerade einfach, die Orientierung zu behalten.
    Wieder einmal war sie unschlüssig, welche Richtung sie einschlagen sollte, als sie etwas entdeckte, das sie verblüffte. Es war, als hörte die Welt drei Schritte von ihr einfach auf: Der Garten brach ab, der Schnee verschwand, der Himmel war fort und alles, was da noch war, sah aus wie Luft zwischen Himmel und Erde, die man mit einer Lupe betrachtet. Oder wie durchsichtiger Nebel . Oder wie der Inhalt einer silbernen Tasse ohne Tasse. Und ohne Inhalt. Nein, das war jetzt zu verrückt.
    Lisandra zwinkerte mit ihren Vogelaugen. Hier war Schnee – dort war nichts! War es das Nichts? Das silberne Nichts? Wenn ja, dann musste sie

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