Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
zusätzlichen Schwierigkeiten machen!“, doch sie entschied sich dagegen. Mucksmäuschenstill stahl sie sich aus dem Arbeitszimmer und atmete tief durch, als sie wieder draußen auf dem Flur stand.
Dort fiel das, was sie gerade von Viego erfahren hatte, wie ein Schatten auf ihr Herz: Grohann gehörte zu Geraldines Mördern. Wenn sie den Steinbockmann nicht schon von ganzem Herzen gehasst hätte, würde sie spätestens jetzt damit anfangen!
Scarlett hatte immer noch nasse Hosen, Strümpfe und Füße und kam zu der Einsicht, dass es besser wäre, sich umzuziehen. Auf dem langen Weg zum Zimmer 773 machte sie allerdings eine erstaunliche Entdeckung, die ihr gar nicht gefiel: Auf der Treppe zwischen dem fünften und dem sechsten Stockwerk im Gebäude der ungeraden Zimmernummern saßen Geicko und Lori Klamm. Sie vermuteten wohl, dass sie ungestört wären, da die Stockwerke hier am frühen Nachmittag immer menschenleer waren. Alle tummelten sich um die Kaminfeuer oder waren unterwegs nach Gürkel.
Scarlett räusperte sich, da sie das Gefühl hatte, dass die beiden sie nicht hatten kommen hören, und tatsächlich zuckten sie zusammen und rückten voneinander fort, als sie Scarletts Räuspern hörten. Sie hatten nämlich Schulter an Schulter beieinander gesessen und Geicko hatte Lori etwas ins Ohr geflüstert und sie hatte gekichert und wenn Scarlett dieses hohe Maß an Körperkontakt richtig deutete, bahnte sich da gerade etwas an. Von wegen quietschender Jummigummi ! Es war die schlaue, hübsche und schlagfertige Lori Klamm, für die sich Geicko interessierte. Scarlett konnte das nachvollziehen, doch dass die beiden sich näherkamen und Scarlett jetzt auch noch darüber Bescheid wusste, war schlecht.
„Lasst euch nicht stören, ich wollte mich nur kurz umziehen“, sagte Scarlett und stieg schnell an den beiden vor über , wobei sie vor Verlegenheit fast über die oberste Stufe gestolpert wäre.
Doch auch an Geicko ging diese Begegnung nicht spurlos vorüber. Er hatte sie wie ertappt angestarrt und die pechschwarzen Augen leicht zusammengekniffen, als wollte er sagen: Vergiss einfach, dass du uns gesehen hast, Scarlett!
Als Scarlett aus ihrem Zimmer zurückkam und dieselbe Treppe wieder hinabstieg, waren die beiden verschwunden. Doch überhaupt nicht verschwunden waren Scarletts mulmige Gefühle. Sollte sie Lisandra davon erzählen? Obwohl es Lisandra überhaupt nicht gefallen würde, sie auch gerade gar nichts gegen diese Entwicklung unternehmen konnte und sowieso schon total gebeutelt war? Oder sollte sie schweigen und es Lisandra verheimlichen und ihr damit die Chance rauben, mit Geicko darüber zu reden ? Ein schwieriger Fall!
Als es längst dunkel geworden war und Scarlett mit ihren Freundinnen am Abendbrottisch im Hungersaal saß, war sie fest entschlossen, Lisandra zu erzählen, was sie gesehen hatte. Lisandra hatte ein Recht auf die Wahrheit. Das Essen war schon aufgetragen (Pfannkuchen, gefüllt mit Sumpfgemüse, überbacken mit Sumpfgemüse und mit einer Soße aus … Sumpfgemüse) und die Freundinnen fingen an zu essen – von Lisandra war aber noch nichts zu sehen. Erst zehn Minuten später kam sie in den Hungersaal gehumpelt, mit einem Verband um den Kopf. Sie war sichtlich erschöpft. Scarlett musste Lisandra nur ansehen und schon war ihr Mun d wie mit unsichtbarem Klebeband zugeklebt. Sie konnte Lisandra nichts sagen. Jedenfalls nicht jetzt.
Berry erkundigte sich bei Lisandra, was ihr heute zugestoßen sei, doch Lisandra schüttelte nur den Kopf.
„Fragt nicht. Euch würde der Appetit vergehen.“
Lisandra war er zum Glück nicht vergangen. Sie schaufelte das Essen in sich hinein und als der Teller leer war, ging sie quer durch den Saal zu Wanda Flabbi und bat um Nachschub, den ihr Wanda Flabbi auch gewährte, trotz der Sache mit Yu Kons Nachttopf. Sie konnte kein Kind hungern lassen.
Als Lisandra zurückkam, wusste sie Erstaunliches zu berichten:
„Stellt euch vor, Viego und Grohann reden miteinander!“
Gleich drehten alle Freundinnen ihre Köpfe herum und tatsächlich – es sah so aus, als ob der Halbvampir und der Steinbockmann, die sich gegenseitig normalerweise mit Nichtachtung straften, in ein Gespräch vertieft wären. Von Viego war nur der Rücken zu sehen, sie wussten also nicht, was für ein Gesicht er machte (sie konnten sich aber gut vorstellen, wie finster es war), doch Grohanns Blick sahen sie und der konnte einem das Fürchten beibringen. Trotzdem sah es nicht so
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