Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Scarlett, ich würde dich gerne was fragen!“
„Was denn?“
„Hasst du ihn wirklich so sehr?“
Die Frage ließ Scarletts Herz schneller schlagen. Schneller, als sie es erwartet hätte.
„Warum? Wen meinst du?“
„Das weißt du.“
„Nein, das weiß ich nicht . I ch hasse nämlich sehr viele Leute! Aber falls du von Hanns sprichst, natürlich hasse ich ihn nicht.“
„Warum bist du dann so zu ihm? So …“
„Fies und gemein?“
„Ja!“
„Tja, wie wärst du denn, wenn einer so tut, als wäre er dein allerbester Freund, und dann seinen Vater nach Sumpfloch schmuggelt, damit er dich in ein Buch verwandelt und ankündig t , dass er ganz Sumpfloch – das Buch eingeschlossen – in Schutt und Asche legen wird?“
„Aber Hanns hat dafür gesorgt, dass du kein Buch bleibst! Er hat dich zurückverwandelt und er hat dich auch entkommen lassen, als du mit dem heiligen Riesenzahn geflohen bist. Oder hat er mir da was Falsches erzählt?“
Nein, das hatte Hanns nicht. Wobei sich Scarlett nie so sicher gewesen war, ob Hanns sie wirklich hatte entkommen lassen wollen.
„Mag sein, dass Hanns sich Mühe mit mir gegeben hat. Aber es war ein Angriff auf Sumpfloch und er war begeistert dabei. Vor allem, als es darum ging, den Gefangenen zu befreien, der dafür sorgen wird, dass Amuylett untergeht!“
Haul war kurz still und sie dachte schon, er hätte keine Argumente mehr für Hanns übrig. Doch als er weitersprach, merkte sie, dass er nur überlegt hatte, wie er am besten ausdrücken könnte, was er ihr zu sagen hatte.
„Hast du dich schon mal gefragt, ob der Gefangene da unten zu Recht eingesperrt ist? Wer er überhaupt ist? Es heißt, die Welt geht unter, wenn er freikommt. Aber vielleicht ist es gar nicht seine Schuld? Vielleicht geht die Welt sowieso unter und sein Freikommen ist nur so eine Art Warnfackel, die uns das Schicksal anzündet, damit wir die richtigen Maßnahmen ergreifen. Damit wir uns retten und die wichtigsten Fragen richtig beantworten. Ich bin mir nicht so sicher, ob er das Verderben selbst ist. Deswegen sind Hanns und ich auf den Gefangenen neugierig. Aber Hanns will Sumpfloch nicht angreifen, er will auch keinen Krieg. Das war nicht sein Plan, sondern der seines Vaters!“
„Schön“, sagte Scarlett unsicher. „Wenn das so ist, dann freut es mich.“
„Was spricht schon dagegen, dass ihr wieder Freunde seid? Er mag dich wirklich sehr, Scarlett!“
Scarlett merkte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Glücklicherweise konnte Haul das nicht sehen. Ja, was sprach dagegen, Hanns zu mögen? Vielleicht hatte Scarlett ja Angst, dass sie ihn eines Tages zu sehr mögen könnte? Dass irgendetwas, das mit Hanns zusammenhing, so groß und gefährlich werden w ü rde, dass sie die Kontrolle darüber verlor? Und dann war da noch das Reich Fortinbrack. Scarlett mochte es nicht. Gut, Hanns konnte nichts dafür, dass er es geerbt hatte. Aber sie misstraute ihm. Nein, sie wollte ihm misstrauen. Es war einfacher als alles andere.
„Ich hasse ihn jedenfalls nicht“, sagte sie. „Du kannst ihm sagen, dass mir leid tut, was ich neulich zu ihm gesagt habe.“
Sie hörte Haul kurz auflachen.
„Das musst du ihm schon selber sagen, Scarlett! Oder du lässt es für immer bleiben. Versteh mich nicht falsch: Ich wollte dich nicht dazu bringen, dass du dich um ihn bemühst. Ich wollte dich auch nicht beeinflussen. Ich wollte nur wissen, warum du tust, was du tust. Und ob ich dich mittel oder gar nicht leiden kann.“
„Und?“
„Na ja, bevor ich dir begegnet bin, konnte ich dich weniger leiden.“
„Dann ist es wahrscheinlich gut, dass wir uns begegnet sind. Wohin willst du?“
„Zurück ans Licht.“
„Wir haben den gleichen Weg“, sagte Scarlett.
Gemeinsam kehrten sie ans Licht zurück und dann trennten sich ihre Wege.
Kapitel 10: Die Lektion vom silbernen Raben
Sechs Wochen dauerte nun schon Lisandras Ausbildung bei Yu Kon, dem Meister des schneefarbenen Todes. Als er angefangen hatte, seinen Schülern zu erklären, was das Wesentliche seiner Lehre sei, war Lisandra überrascht gewesen, denn sie hatte sich die Seele von Yu Kons Kampfkunst martialischer vorgestellt. Mittlerweile hätte Lisandra im Schlaf erklären können, was ihnen der Lehrer immer und immer wieder beizubringen versuchte:
Nämlich dass es – laut Yu Kon – bei einem Kampf nicht darauf ankam, dass man die besseren Waffen besaß als der Gegner. Auch ob man geschickter
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