Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
rein?“
„Eyl beschützt dich. Dir wird nichts passieren!“
Er zeigte auf die Maküle mit den orangefarbenen Augen. Diese nickte, als bestünde an Grohanns Aussage nicht der Hauch eines Zweifels.
„Wir gehen hinüber und sehen, was wir tun können“, sagte Grohann. „Dann bringen wir dich auf die Krankenstation.“
Maria wäre am liebsten gleich auf die Krankenstation gegangen, doch andererseits wollte sie ihre geliebte Spiegelwelt nicht den weißen Monstern überlassen. Wenn jemand dort aufräumen konnte, dann waren es wahrscheinlich Grohann und die Maküle.
„Gut“, sagte sie, all ihren Mut zusammennehmend.
„Etwas mehr Licht!“, befahl Grohann den Makülen und gleich begannen sie kräftiger zu leuchten, sodass der Trophäensaal wie von zwanzig Lampen erhellt war.
„Gehen wir!“
Auf Grohanns Aufforderung hin kletterte Maria todesmutig durch den Spiegel. Sie hielt Grohanns große Hand fest, während sie es tat, sodass er ihr folgen konnte. Doch niemand hielt die Maküle fest, sie kamen einfach mit, stiegen neben Maria durch den Spiegel und richteten ihre leuchtenden Augen auf alle weißen Flecken in der unmittelbaren Umgebung, woraufhin diese auf unappetitliche Weise platzten. Es waren aber jetzt so viele Tiere, dass es die Maküle gerade mal schafften, einen sicheren, ungefährlichen Bannkreis rund um Maria aufrechtzuerhalten, in den kein Tier eindrang, sodass Maria nichts passierte. So standen sie in einem Raum, dessen Boden komplett von weißen Hermelinen bedeckt war, und warteten, während Grohann eines der Tiere packte und hochhob, um es genau zu betrachten. Auch an ihm kletterten die Hermeline hoch, k lammerten sich an seine Arme und erklommen seine Schultern. Er ignorierte sie und fixierte stattdessen das eine Tier, das er in der Hand hielt, mit seinen Steinbockaugen.
Es sah so aus, als ob er mit dem Tier sprach, obwohl er den Mund nicht aufmachte, ebenso wenig wie das Tier. Doch es sah wie eine Unterhaltung aus. Maria konnte es nicht fassen, dass er es zuließ, dass die Tiere auf ihn einbissen, ihre Krallen in seine Brust schlugen und auf seinen Kopf kletterten, ohne dass er sich rührte. Maria hätte geschrien vor Panik und Unbehagen.
Irgendwann war die Unterhaltung beendet und Grohann ließ das Tier, das er in der Hand gehalten hatte, fallen.
„Gehen wir!“, sagte er.
Die Maküle tauchten das Zimmer in der Spiegelwelt in helles Licht und Maria warf einen letzten Blick auf ihr verwüstetes Paradies. Dann ging sie zum Spiegel zurück, in dem sie sich kaum wiedererkannte, so ein Bild des Grauens bot sie, blutig und tränenüberströmt, wie sie war. Grohann sah aber auch nicht besser aus. Die Tiere hingen an ihm fest und die sonst braungraue Haut des Steinbockmanns war jetzt überall dunkelrot. Maria nahm wieder seine Hand und kletterte diesmal bedächtiger durch den Spiegel. Nicht panisch, sondern gefasst, während die Maküle sie flankierten.
Grohann trat nach ihr aus dem Spiegel und auch diesmal erschlafften die Tiere auf der anderen Seite, fielen tot von Grohann ab und klatschten auf den Steinboden des Trophäensaals.
„ Auf zur Krankenstation“, sagte er mit seiner tiefen Stimme und ehe sich Maria versah, hatte er sie gepackt und hochgehoben auf seine Arme, als wäre sie ein kleines Kind. Er trug sie in einem Tempo durch die Festun g, dass ihr Hören und Sehen verging, aber vielleicht lag es auch an der Kälte, die ihre Adern durchfloss und sie benommen machte.
„Estephaga!“, rief Grohann, kaum dass sie den vierten Stock erreicht hatten, in dem sich die Krankenstation befand.
Maria nahm wahr, wie Estephaga an ihrer Seite auftauchte, und sie fragte sich, ob diese Lehrerin nie schlief und wenn doch, ob sie es komplett angezogen tat, denn Estephaga trug keinen Morgenrock und kein Nachthemd, war auch nicht zerzaust und ungekämmt, sondern sah genau so aus wie immer.
„Was ist denn jetzt schon wieder passiert?“, fragte sie ungehalten. „Grohann, noch nie hatte ich so viele verletzte Kinder wie in diesem Winter!“
„Keine Zeit für Erklärungen! Sie wurde von einem Zehrfluch getroffen!“
„Um Himmels willen!“
Das musste etwas Schlimmes sein. Doch Maria fühlte sich halb betäubt, sie bemerkte auch keine Schmerzen mehr. Alles war nur noch kalt, eiskalt. Sie merkte, wie sie von Estephaga ausgezogen und in heiße, nasse Tücher gewickelt wurde, wie Estephaga ihre Hände auf Marias Stirn und Hinterkopf legte und irgendwann sagte:
„ Helfen Sie mir bei der
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