Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
du unangreifbar bist, ja. Sonst nicht. Der Zeitpunkt ist günstig, denn ich werde dieses Mondpapier nicht ewig besitzen. Es ist sehr wertvoll, das könnt ihr euch denken, und es gehört mir nicht.“
Das musste Gerald erst mal verdauen. Er richtete seinen Blick auf die Fenster und die Bäume im Garten, die ihre hellgrünen Frühlingsblätter im schwachen Wind schüttelten. Vögel hüpften zwischen den Zweigen hin und her.
„Hier ist gar kein Winter“, sagte er wie zu sich selbst.
„Hier war noch nie Winter“, erwiderte Maria. „Es ist wahrscheinlich kein echter Ort.“
Gerald starrte ungefähr fünf Minuten lang aus dem Fenster und niemand störte ihn dabei. Maria konnte sich kaum vorstellen, was gerade in Geralds Kopf vorging. Grohann verlangte von ihm, sein Leben zu riskieren. Womöglich sogar zu sterben! Mondpapier hin und her, das war alles sehr hart .
„Bevor ich so eine Entscheidung treffe“, sagte Gerald schließlich , „ muss ich noch etwas wissen!“
„Was?“
„Gibt es denn wirklich überhaupt keine Möglichkeit, Amuylett zu retten?“
„Ich fürchte, nein“, sagte der Steinbockmann. „Seit der Zeit, in der die Lilienpapiere verfasst worden sind, gab es immer Eingeweihte, die nach einem Weg gesucht haben, den Verfall unserer Welt aufzuhalten. Am Anfang sicher nicht so eifrig, aber in den letzten tausend Jahren wurde wie besessen geforscht. Ohne Erfolg. Ich wüsste nicht, in welcher Richtung man noch suchen könnte. Tatsächlich fällt mir nur ein einziger Ort ein, an dem noch niemand gewesen ist, der jedoch Licht ins Dunkel unserer Welt bringen könnte. Vielleicht. Wahrscheinlich aber vergeblich.“
„Und dieser Ort ist … wo?“
„In Torcks Gefängnis.“
Gerald überlegte. Torck, der angeblich ein fünftes Erdenkind war, saß seit einer Ewigkeit in seinem Kerker – und nie war jemand hineingegangen, um nachzusehen, wie es ihm ging?
„Warum hat dort keiner gesucht?“, fragte Gerald.
„Weil es verboten ist, das Gefängnis zu betreten, und weil sein Ausbruch das Ende von Amuylett bedeuten könnte. Wir könnten ihn freilassen, in der Hoffnung, dass er uns den Schlüssel zu Amuyletts Genesung reicht. Was er aber vermutlich nicht tun wird. Das Gegenteil wird der Fall sein. Die Zeit von Amuylett wird noch schneller ablaufen als ohnehin schon. Denn so steht es in den Lilienpapieren. Dort heißt es, er trägt den Tod dieser Welt in sich.“
„Darf ich auch noch etwas fragen?“, meldete sich Maria.
„Kommt darauf an, was“, erwiderte Grohann.
„Ich möchte wissen, wie das ablaufen soll mit der Besiedlung einer neuen Welt. Es können doch unmöglich alle Wesen, die in Amuylett existieren, durch eine Tür auf die andere Seite gehen?“
„Und das auch noch in einer begrenzten Zeit. Das hast du vollkommen recht, Maria. Es ist unmöglich.“
„Aber …“
Maria wusste nicht, wie sie es sagen sollte. Oder nein, sie traute sich nicht, es zu sagen, denn dadurch würde es Wirklichkeit werden. Eine Wirklichkeit, von der sie lieber nichts wissen wollte. Doch Grohann war weniger zimperlich. Er sprach es deutlich aus:
„Nur der kleinste Teil von Amuyletts Bevölkerung kann es auf die andere Seite schaffen. Alle anderen werden sterben.“
Maria stützte ihre Hände nervös auf dem Sofa ab und suchte auf dem Boden ihres Lieblingszimmers nach einer Lösung für dieses Problem. Sie fand aber keine.
„Ich verstehe“, sagte Gerald. „Deswegen sind sie alle hinter uns her. Wer uns beherrscht, kann bestimmen, wer die neue Welt betritt und wer nicht.“
„Selbst die beste Regierung der Welt müsste eine Auswahl treffen“, sagte Grohann. „Eine fast unmögliche Entscheidung. Darum wurde der Inhalt der Lilienpapiere immer geheim gehalten.“
„Der Gefangene wird eines Tages freikommen, nicht wahr?“, fragte Maria.
„So spät als möglich. Wenn er jetzt freikäme, könnte es sein, dass es keine neue Welt geben wird, denn wir sind noch n icht so weit.“
„Aber wenn es nun doch eine Lösung gäbe … in seinem Gefängnis?“
„Die Lösung, wenn es eine gibt, liegt dort nicht herum wie eine vergessene Vase“, sagte Grohann. „Um das Gefängnis geht es nicht. Es geht um Torck. Er ist das einzige Erdenkind aus der Urzeit, das noch lebt. Vielleicht weiß er etwas, das uns weiterhilft. Aber wie ich schon sagte: Wahrscheinlich ist das nicht.“
Das Eichhörnchen in der Latzhose schaute kurze Zeit später zur Tür herein.
„Darf ich hier streichen?“, fragte es, wobei es
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