Mondscheingeflüster
Etwas unschlüssig ging er in seinem Zimmer auf und ab. Dabei kam ihm Kathrin in den Sinn.
Er war wirklich nicht besonders nett zu ihr gewesen gestern Abend, und das, obwohl sie versucht hatte, sich mit ihm zu versöhnen. Warum war er so wütend auf sie gewesen? Ehrlicherweise musste er sich eingestehen, dass er sich bei der ganzen Geschichte vor allem über sich selber geärgert hatte. Er kam sich blöd vor, weil er auf ihre falsche Altersangabe hereingefallen war und weil er nachher wie ein Esel dagestanden hatte, als sie seine Annäherungsversuche zurückwies und plötzlich damit herausrückte, dass sie fünfzehn und ohne jede Erfahrung war. Genau genommen hatte sie einfach seine Eitelkeit gekränkt, und das war es nun einmal, was er am schlechtesten vertrug. Was sie sich später geleistet hatte, war allerdings wirklich ein starkes Stück gewesen, einfach in den Park hineinzurennen und auf seine Rufe nicht zu reagieren. Sie hatte sich in höchste Gefahr gebracht, aber natürlich auch ihn, denn er war noch lange herumgeirrt und hatte nach ihr gesucht.
Zu seiner Überraschung stellte Ted fest, dass er selbst bei der Erinnerung daran nicht mehr richtig wütend wurde. Im Gegenteil, er kam sich jetzt ein bisschen kleinlich vor, weil er sich so stur gezeigt hatte. Im Grunde war sie ja ein nettes Mädchen. Eigentlich hätte er sich ganz gerne wieder mit ihr vertragen.
Er beschloss, zum ›Plaza‹ zu fahren und sie zu fragen, ob sie irgendwo einen Kaffee mit ihm trinken wollte. Damit war dann der leidige Streit aus der Welt geschafft, und er hätte sich großzügig gezeigt. Ted war sehr zufrieden mit sich und verwendete viel Zeit darauf, die passende Garderobe zusammenzustellen und sich anzuziehen. Es war schon ein ganz gutes Gefühl, von der Kleinen angehimmelt zu werden.
Zur selben Stunde in einem Keller in Greenwich Village. Vier junge Leute saßen im Halbkreis, rauchten Zigaretten und debattierten eifrig.
»Und was machen wir, wenn die uns im ›Plaza‹ sofort wieder rausschmeißen?«, fragte das Mädchen mit den langen, dunklen Haaren und dem klirrenden Silberschmuck an Hals und Armen. »Wieso glaubt ihr, dass sie uns so einfach nach oben lassen?«
»Das hängt von unserem Auftreten ab«, erwiderte einer der Männer. »Wir müssen ganz selbstverständlich nach diesem Mädchen fragen, und dann genauso selbstverständlich hinaufgehen. Man darf uns keine Unsicherheit anmerken.«
Die drei Männer und die Frau - Greg, Patrick, Jonathan, genannt »Chick«, und Lucy - gehörten zu den sieben jungen Leuten, mit denen Kathrin zwei Nächte zuvor unfreiwillig im Central Park zusammengetroffen war. Jetzt waren sie erstaunlich gut gekleidet, gewaschen und herausgeputzt, und Greg war sogar dabei, seine Nägel mit dem Taschenmesser zu reinigen. »Wir müssen einigermaßen gepflegt aussehen«, meinte er.
»Das tun wir doch!« Lucy blickte an sich herunter. Saubere Jeans, ein frisch gewaschener dunkelblauer Pullover. »Ich komme mir schon ganz fremd vor.«
»Du solltest das viele Silber ablegen«, meinte Chick. »Es sieht ein bisschen nach Hippie aus!«
Seufzend streifte Lucy ihre Armreifen ab. »Scheiße, das alles«, murmelte sie.
»Also«, sagte Patrick, »ich fasse noch einmal zusammen: Lucy und Greg fragen an der Rezeption nach dieser ... dieser ... Chick, du hattest den Namen doch aufgeschrieben!«
Chick kramte einen Zettel aus seiner Hosentasche. »Ja, hier. Kathrin Roland.«
Er tat sich ein bisschen schwer, den deutschen Namen auszusprechen.
Patrick nickte. »Kathrin, ja. Wir fragen also nach Kathrin Roland. Der Portier wird ...«
»Moment«, unterbrach Greg, »erst müssen wir wissen, dass sie nicht da ist!«
»Deshalb steht ja Linda seit heute früh in der Eiseskälte vor dem verdammten Hotel und passt auf. Sie ruft uns sofort an, wenn diese Kathrin weggeht!«
»Ich fand das von Anfang an eine Schnapsidee«, murrte Lucy. »Bis wir beim ›Plaza‹ sind, ist Kathrin möglicherweise wieder zurück. Wir hätten uns alle dort postieren müssen!«
»Aber heute früh hast du dich darum nicht gerade gerissen!«, sagte Chick heftig. »Du hattest nämlich auch keine Lust, dir Füße und Hände abzufrieren.«
»Wenn sie tatsächlich wieder zurück sein sollte, müssen wir eben auf die nächste Gelegenheit warten.« Patrick sah die anderen der Reihe nach an. »Nehmen wir mal an, sie ist weg. Also: Lucy und Greg fragen an der Rezeption nach Kathrin Roland. Sie behaupten, vom deutsch-amerikanischen
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