Mondscheingeflüster
seinen Füßen. »Dann nichts wie hin!«
Lucy, ohne Silberschmuck, das Haar von einem samtenen Haarreif gehalten und das Gesicht ein wenig geschminkt, sah tatsächlich seriös aus. Greg war in ein altes Jackett geschlüpft, das zwar nicht mehr hochmodisch, aber von deutlich guter Qualität war. Er war der Sohn reicher Eltern, der sich mit achtzehn von daheim losgesagt hatte, aber aus Teenagerjahren noch eine Menge teuerer Dinge besaß. Die anderen zogen ihn gern damit auf, aber für Gelegenheiten wie diese hier war er gut zu gebrauchen, denn er strahlte seltsamerweise eine ungeheure Anständigkeit aus und konnte sich hervorragend benehmen. Er und Lucy wirkten wie ein nettes, braves Paar, das durchaus in das feine Hotel passte. Die zierliche Lucy erinnerte an ein großäugiges Reh, dem niemand etwas Böses zutraute.
Es waren gerade eine Menge neuer Gäste im ›Plaza‹ angekommen, und an der Rezeption herrschte ein ziemliches Durcheinander. Der Portier, den Greg auf »Kathrin Roland from Germany« angesprochen hatte, wirkte ungeduldig und gestresst. Im Übrigen machte er es Greg und Lucy leichter, als sie gedacht hatten.
»Room 459«, sagte er. »Da hinten befinden sich die Telefone. Sie können selber hinauftelefonieren.«
Greg warf Lucy einen triumphierenden Blick zu. Na bitte, es geht doch alles ganz einfach!
Direkt neben ihnen wandte sich soeben eine Dame im fast bodenlangen Nerzmantel und mit strassbesetzter Sonnenbrille an den Portier.
»Es stimmt doch, dass Sicherheitsbeamte im Hotel patrouillieren?«, erkundigte sie sich. »Ich meine, es ist gewährleistet, dass keine Überfälle oder Ähnliches passieren?«
»Absolut richtig, Madame. Sämtliche Flure sind ständig unter Kontrolle.«
»Gott sei Dank. Man ist ja heute seines Lebens nicht mehr sicher. Im Grunde genommen kann man ohne Bodyguard ja überhaupt nicht mehr verreisen!«
»Wie gesagt, für Ihre Sicherheit ist gesorgt, Madam«, beruhigte sie der Portier, höflich, aber vibrierend vor Nervosität.
»Seit wann ist denn das so?«, fragte Lucy entsetzt, die beschwörenden Blicke Gregs ignorierend. »Ich meine - seit wann gibt es hier Sicherheitskräfte? Das war früher nicht so!«
Die Dame im Nerz wandte sich ihr zu. »Liebes Kind, früher musste man auch nicht überall um sein Leben fürchten, schon überhaupt nicht in einem guten Hotel. Aber es wird immer gefährlicher. In Amerika passieren doch jeden Tag irgendwelche Attentate.«
»In unserem Haus nicht«, sagte der Portier und wischte sich verstohlen ein paar Schweißtropfen von der Stirn. Es klingelten schon wieder drei Telefone gleichzeitig.
»Auf allen Fluren?«, fragte Lucy. »Auf allen Fluren laufen diese Leute herum?«
Der Portier griff nach einem der klingelnden Telefone und wahrte mit letzter Kraft die Nerven.
»Sie sind nicht ständig überall, aber sie gehen in regelmäßigen Abständen über alle Flure, es besteht überhaupt kein Grund zur Sorge - Sie entschuldigen?«
Er hatte jetzt den Telefonhörer am Ohr und meldete sich.
Greg nutzte die Gelegenheit, um Lucy eilig von der Rezeption wegzuziehen.
»Du bist ja wohl verrückt!«, zischt er. »Wie kannst du den so nach diesen Sicherheitskräften ausquetschen? Du hast dich viel zu auffällig benommen!«
»Quatsch, der hat doch überhaupt nichts gemerkt. Ich musste das fragen, es ist doch immerhin eine wichtige Information. Oder würdest du gerne von diesen bewaffneten Typen überrascht werden, während wir gerade die Tür zu Kathrins Zimmer aufbrechen?«
»Nein, aber du hast uns beinahe verraten. Wenn der nur eine Spur weniger gestresst gewesen wäre, hätte er bestimmt Verdacht geschöpft!«
»Jetzt reg dich nicht auf. Wir müssen überlegen, was wir nun tun. Wir können nicht ...«
»Was können wir nicht?«
Lucy starrte ihn an. »Willst du alles wie geplant durchziehen?«
Greg warf ihr einen fassungslosen Blick zu. »Ja - du etwa nicht? Denkst du, ich lasse mir so unheimlich viel Geld durch die Lappen gehen? Natürlich machen wir alles wie geplant. Es ist ja sogar noch leichter, als wir dachten. Wir haben die Zimmernummer; wir brauchen nur noch oben anzurufen, um uns zu vergewissern, dass wirklich niemand da ist, dann gehen wir rauf ... und schon haben wir, was wir suchen.«
»Und die Patrouillen?«
Greg seufzte. »Lucy, wenn in diesem ganzen verdammten Haus fünf Polizisten oder Leute vom FBI oder was weiß ich herumlaufen, ist das schon sehr viel. Wir finden mit Sicherheit einen unbeobachteten Moment, um in das
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