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Mondscheinjammer

Mondscheinjammer

Titel: Mondscheinjammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hoehne
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naiv?
    "Offenbar bist du dir der Gefahr nicht bewusst, in der sich die Stadt befindet."
    Die kleine Ader an Sams Hals fing wieder gefährlich an zu pochen und sein Gesicht nahm langsam aber sicher einen dunkelroten Farbton an. Ein mehr als untrügliches Zeichen dafür, dass er gereizt war.
    "Das ist kein Spiel, Lily. Am Ende gehen wir alle drauf!"
    "Und das würde dich stören? Mal im Ernst, Sam, du bist doch froh, wenn ich dich nicht mehr mit meinen Widerworten nerve, oder?", flüsterte ich verärgert.
    Unsere Gesichter waren sich ganz nah.
    Ich konnte seinen Atem spüren und fühlte mit einem Mal einen schweren Kloß in meinem Hals.
    "Deine Art ist unfassbar kindisch. Du gehörst nicht hierher. Du wirst nie verstehen, was hier gerade passiert. Du bringst nur alle unnötig in Gefahr", presste er mühsam hervor.
    "Ach ja, ich bringe jemanden in Gefahr? Wen denn bitte?" Empört blitzte ich ihn an. Doch noch ehe ich erneut etwas sagen konnte, spürte ich auch schon seine warmen weichen Lippen auf meinem Mund. So grob Sam auch immer wirkte, so sanft küsste er mich jetzt.
    Sam küsste mich!
    Meine Knie wurden weich, und ich musste mich unwillkürlich an ihm festhalten.
    Als wir uns nach einer gefühlten Ewigkeit wieder lösten, hatte ich das Gefühl alles nur noch durch einen dichten Schleier wahrzunehmen. Noch nie zuvor war ich so leidenschaftlich geküsst worden.
    Ich blinzelte verstört.
    Sam wirkte ebenfalls durcheinander. Es war das erste Mal, seit ich ihn kannte, dass er seine Gefühle nicht unter Kontrolle zu haben schien. Schließlich strafte er jedoch die Schultern und sagte nur: "Mich… mich bringst du in Gefahr." Mit diesen Worten tippte er an seinen schlammigen Hut und stürmte durch die Küche hinaus in die langsam einsetzende Dunkelheit.
     
    "Und wie geht es in der Schule?"
    Wir saßen um den großen runden Esstisch der Mosbys herum im puppenhaften Wohnzimmer der Familie und tranken zum Nachtisch Tee. Es duftete herrlich nach frischgebackenem Kuchen, doch ich hatte keinen Appetit. Noch immer spürte ich Sams Lippen auf meinen und fuhr mir unwillkürlich mit dem Finger über den Mund.
    Natürlich waren alle gekommen: Dotti, die beiden Schwestern Miss Jenna und Miss Liliane, die früher einmal auf der Carter-Ranch gearbeitet und aus irgendeinem Grund nie geheiratet hatten und Mrs. Jones, die Frau des ehemaligen Bürgermeisters und Vorsitzende des örtlichen Frauenvereins. Sie hielt mit abgespreiztem Finger ihre Teetasse in den Händen und lächelte wohlwollend in die Runde, während Vanessas Mutter bemüht war, allen Anwesenden ein gleich großes Stück Apfelkuchen auf die Teller zu legen.
    Ich sah die kleinen Schweißperlen auf ihrer Stirn, und sie tat mir leid. Der Abend kostete sie sehr viel Kraft. Nicht mehr Teil des Stadtklatsches zu sein, schien ihr viel zu bedeuten.
    Gedankenverloren starrte ich an die Decke. Sam. Was hatte der Kuss zu bedeuten und was hatte er damit gemeint, ich würde ihn in Gefahr bringen? Es schien fast so, als würden meine unbeantworteten Fragen immer mehr werden, statt weniger. Es musste doch jemanden geben, der mir auf all das eine Antwort geben konnte!
    Irgendjemand trat mir unter dem Tisch kräftig gegen das Schienbein.
    "Au!" Verwundert sah ich auf.
    Vanessa, die direkt neben mir saß, verzog das Gesicht. "Sag auch mal was!", zischte sie ungehalten. "Seit du hier angekommen bist, überlässt du mich den Hyänen. Was ist los?" Sie sprach so leise, dass ich fast Lippenlesen musste.
    "Ich…" Ich wurde knallrot, als ich sah, dass alle Blicke auf mich gerichtet waren. Die Brille von Dotti rutsche ihr gefährlich weit von der Nase. Ihr schlohweißes Haar hatte sie gekonnt zu einem Dutt am Hinterkopf zusammengebunden und ihre ehemals strahlenden Augen musterten mich neugierig.
    "Michelle Bruckheimer ist verschwunden", platzte es schließlich aus mir heraus.
    Die Damen am Tisch sahen mich verdutzt an, und Vanessa schüttelte fassungslos den Kopf.
    "Also nicht direkt verschwunden. Es weiß nur niemand, wo sie ist", beeilte ich mich zu sagen.
    "Sie wird krank sein", gab Dotti zu bedenken.
    "Nein, sie ist weg, nicht wahr, Vanessa? Es ist seltsam. Genauso hat es doch auch schon mal angefangen, oder?" Ich nahm all meinen Mut zusammen und blickte von einem zum anderen. Mrs. Jones wich mir gekonnt aus, indem sie begann, das Muster ihrer Teetasse zu studieren, während Miss Jenna und Miss Liliane die Tischplatte fixierten.
    "So etwas passiert, mein Kind", sagte Dotti schließlich und

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