Mondscheinjammer
abgeben musste. Aber das würde mir Mr. O'Leary doch sicher nicht antun.
'Och, bei uns werden Menschen ausgesaugt, warum erfahre ich vielleicht morgen, wenn ich Miss Liliane besuchen gehe. Ein süßer Typ, dessen Bruder ermordet wurde und dessen Ex-Freundin verschwunden ist, hat mich geküsst, und ein Untoter kommt mich jede Nacht besuchen und wir feiern Pyjamapartys.' Es wäre zu schön, Kimberlys Gesichtsausdruck zu sehen, doch ich schluckte meinen Kommentar einfach herunter und zwang mich zu einem Lächeln: "Och, nichts. Ist halt Nebraska." Ich zuckte die Schultern.
Es war also soweit, ich konnte meiner besten Freundin nicht mehr alles sagen. Der Gedanke hatte etwas Erschreckendes an sich. Auch Vanessa hatte ich noch nichts von Xander erzählt. Er hatte mich darum gebeten, und ich musste es ihm versprechen. Je weniger Leute von seiner Existenz wusste, desto besser. Doch das war etwas anderes. Kim kannte ich bereits mein ganzes Leben lang.
"Das klingt… spannend." Sie sah mich mitleidig an.
"Und du so?" lenkte ich schnell auf ein anderes Thema. Kimberly redete sowieso immer viel lieber von sich selbst, und ich hatte Angst, dass unser Gespräch ins Stocken geriet. Niemals zuvor war es vorgekommen, dass sie und ich uns nichts zu erzählen hatten.
"Freitagabend halt, ne? Paaaarty." Sie hob ein Glas, was bislang unbemerkt neben ihrem Rechner gestanden hatte und prostete mir zu. Sie trank viel und gerne, noch etwas, worin wir uns unterschieden. Aber machte das Freunde nicht auch aus? Waren es nicht die Gegensätze, durch die wir uns ergänzten?
"Welche Party?", fragte ich.
"Wir gehen zu Peter."
Im Hintergrund wurde langsam ihre Zimmertür aufgeschoben und mein Blick fiel auf einen mir wohlbekannten dunklen Haarschopf. Im selben Moment blieb mir auch schon fast die Luft weg. Es war Tom. Mein Exfreund Tom! Was machte er bei Kimberly Zuhause? Die beiden hatten nie viel miteinander anfangen können. Kim hatte ihn sogar einige Male als Langweiler bezeichnet, doch nun strich er ihr durchs Haare, und ich hörte ganz deutlich seine Stimme über die Lautsprecherboxen: "Kim, Schatz, deine Mom hat mich reingelassen. Sie sagt, ich soll bei dem Wetter nicht draußen warten. Wir sollten los, die warten nicht ewig auf uns."
Mit wurde schlecht.
Sein Blick blieb an dem geöffneten Laptop hängen, und er glotzte blöd auf den Monitor direkt in mein Gesicht.
"Oh, hi, Lily." Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. "Ich hatte nicht gesehen, dass du… dass du… ich warte im Wohnzimmer auf dich, Kim. Bye, Lily."
Kimberly sah entsetzt von mir zu ihm und dann wieder zurück zu mir.
"Das ist nicht so, wie du denkst."
"Was denke ich denn?", fragte ich lahm. Dass Tom sich ziemlich schnell nach meinem Weggang mit einer Anderen getröstet hatte, wusste ich ja bereits, dass diese Andere aber ausgerechnet meine beste Freundin war, war mir allerdings neu. Und es verletzte mich, auch, wenn er mir mittlerweile sogar gleichgültig war. Doch das wusste Kim ja nicht. Sie ahnte nichts von Sam, nichts von Xander, sie hatte überhaupt keine Ahnung mehr von meinem Leben. Sie hatte mir ja keine Gelegenheit gegeben, ihr davon zu erzählen. War ihr unsere Freundschaft wirklich so egal?
"Ich muss jetzt off gehen", war alles, was ich sagen konnte. Meine Stimme war belegt, und ich musste mich räuspern. Wie demütigend das war.
"Nein, Lily, du darfst jetzt nicht die Verbindung abbrechen. Ich kann dir das alles erklären." Kimberly wedelte panisch mit den Händen.
Ich zuckte die Schultern. "Du musst mir gar nichts erklären. Ich muss jetzt gehen. Es ist Freitagabend. Da tanzen wir für gewöhnlich immer um den Heuhaufen herum." Mit diesen Worten schloss ich den Deckel und kappte die Verbindung.
Frustriert starrte ich auf das geöffnete Fenster.
Wieso ausgerechnet Tom? Hätte sich Kimberly nicht an einen anderen Jungen ranmachen können? Oder war ich einfach nur überempfindlich? Ich hatte doch gar kein Interesse mehr an ihm, doch es fühlte sich nicht richtig an. Tom und Kim. Wer weiß, vielleicht hatten sie schon vor meinem Weggang… ich wollte nicht daran denken.
Niedergeschlagen schlurfte ich die Treppe ins Erdgeschoss hinunter.
Meine Eltern saßen vor dem Fernseher. Mein Bruder hockte auf dem Boden vor seinem Bett und sortierte kleine Plastikfiguren. Neun Jahre alt müsste man sein. Das einzige, was ihn zu kümmern schien, war, dass er alle Teile für seine Sammlung zusammenbekam. Das Leben konnte so einfach sein.
Seufzend öffnete ich
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