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Mondscheinjammer

Mondscheinjammer

Titel: Mondscheinjammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hoehne
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bis an die heutige Farm deines Vaters heran."
    "Wo die ehemalige Scheune stand?"
    Sie nickte erneut.
    "Und wer ist nun dieser Benjamin?", nahm Vanessa den Faden wieder auf.
    "Benjamin war ein süßer Junge, blondes Haar, große blaue Augen, wirklich entzückend." Ihr Blick schweifte ab, und sie sah gedankenverloren aus dem Fenster.
    "Aber?" Vanessa stopfte sich noch eine Gabel Kuchen in den Mund.
    "Er hatte es nicht leicht." Miss Liliane seufzte. "Wisst ihr, in so einer Kleinstadt zu leben, ist… nicht immer einfach, schon gar nicht vor vierzig oder fünfzig Jahren. Toleranz wurde damals nicht gerade groß geschrieben."
    Heute auch nicht, dachte ich lakonisch und meine Gedanken wanderten automatisch zu Mrs. Mosby.
    "Was war denn mit ihm?" Vanessa wippte aufgeregt auf dem Sofa herum.
    Auch ich konnte die Anspannung deutlich spüren. Um mich zu beruhigen, legte ich meine Hand auf mein pochendes Herz. Endlich erfuhren wir etwas, etwas, was uns weiterhalf, tatsächlich weiterhalf. Vielleicht würden wir sogar endlich verstehen, was hier passierte.
    "Er war unehelich geboren, eine Schande. Niemand wusste, wer sein Vater war. Der alte Carter ließ ihn und seine Mutter auf der Ranch wohnen und arbeiten. Das heizte damals natürlich die Gerüchteküche an. Jeder spekulierte, ob der Junge nicht vielleicht ein Seitensprung des alten Carters war."
    "Sie reden von James Carter, richtig? Xanders Großvater."
    Miss Liliane zog fragend eine Augenbraue hoch und musterte mich durchdringend. Ahnte sie etwas? Nein, das war unmöglich. Niemand wusste von Xander.
    "Woher kennst du Xander? Er verstarb tragisch, lange bevor deine Familie hierher gezogen ist."
    "Lily ist ganz besessen von ihm. Sie redet von nichts anderem."
    Ich trat Vanessa unter dem Tisch gegen das Schienbein, und sie zuckte mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen. Recht geschah ihr. Wieso konnte sie nicht den Mund halten?
    "Ich habe im Jahrbuch über ihn gelesen, und ich arbeite mit seiner Schwester Ashley an einem Schulprojekt", erklärte ich lahm.
    Sie nickte langsam, aber der skeptische Gesichtsausdruck blieb.
    "Ja, aber du hast Recht, ich rede von James Carter. Er ist der Großvater von Ashley und Xander", fuhr sie schließlich fort. "Benjamin war ein fleißiger Junge, immer bemüht, es allen recht zu machen. Als er zwölf Jahre alt war, durfte er sogar mit den Pferden arbeiten. Aber seine Anwesenheit machte Maud Carter krank. Sie war James' Frau."
    Ich nickte. Irgendwie verständlich, wenn sich die ganze Stadt den Mund darüber zerriss, dass der Junge vielleicht das Produkt einer Affäre ihres Mannes war.
    "Sie kam kaum noch aus ihrem Zimmer, das arme Ding." Miss Liliane nippte gedankenverloren an ihrem Tee. "Ich habe damals Ashleys Vater unterrichtet. Er ging nicht zur Schule, da er auf der Ranch gebraucht wurde."
    "Hatten Sie viel Kontakt mit Benjamin?"
    "Mit seiner Mutter ein wenig, aber sie war sehr still und am liebsten wohl allein."
    "Und was passierte dann? Wo ist Benjamin jetzt?", fragte ich ungeduldig.
    "Als er ungefähr siebzehn oder achtzehn war, kam es auf dem Hof zu einem Eklat. Maud beschuldigte ihn, Geld aus dem Haus gestohlen zu haben und bestand darauf, dass er und seine Mutter die Ranch verließen. Ich glaube, sie konnte es einfach nicht länger ertragen, wie viel Zeit der alte James mit ihm verbrachte. Benjamin hatte so ein Geschick mit Pferden, was seinem eigenen Sohn vollkommen abging."
    "Musste er gehen?"
    Miss Liliane nickte. "Seine Mutter war zu dem Zeitpunkt schon sehr schwach. Ich weiß nicht, unter was sie gelitten hat, aber sie war nie die gesündeste Person gewesen. Nicht robust genug für das Landleben."
    "Aber sie blieben in Parkerville?"
    "Nein, niemand gab ihnen Arbeit, sie hatten nicht einmal einen Schlafplatz. Meine Schwester war zu der Zeit nicht daheim, sie war Verwandte besuchen. Ich ließ sie ein paar Nächte bei uns wohnen, aber sie hätte nie erlaubt, dass sie blieben."
    Wie unvorstellbar das klang.
    "Sie gingen also fort, nach Seattle, wie ich hörte. Doch die Stadt brachte ihnen auch kein Glück. Benjamins Mutter starb bald darauf, er hatte kein Geld. Das letzte, was mir erzählt wurde, war, dass er unter irgendeiner Brücke lebte. Ob das wahr ist? Ich weiß es nicht, aber Benjamin war immer ein fleißiger und ehrlicher Junge gewesen, ich kann mir nicht vorstellen, dass niemand ihm eine Chance geben wollte."
    "Und er ist dann zurückgekommen?" So ganz verstand ich den Zusammenhang zwischen Benjamin Butler und den

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